Verkehrssicherheitsreport 2021 – Österreichs Straßenverkehr im Fokus: Zahlen, Fakten, Meinungen

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Corona hatte auch willkommene Effekte: weniger Unfälle auf Österreichs Straßen. 344 Verkehrstote im Jahr 2020 – die niedrigste Zahl seit Start der Statistik. Doch noch immer stirbt alle 25 Stunden ein Mensch auf Österreichs Straßen, fast stündlich wird einer schwer verletzt. Die Zahlen der verunglückten Radfahrer*innen explodieren und reflektieren den E-Bike-Boom. Maßnahmen für mehr Sicherheit sind ein absolutes Muss. 

Unfallgeschehen

344 Menschen starben im Jahr 2020 auf Österreichs Straßen (2019: 416) – die niedrigste Zahl seit Beginn der statistischen Aufzeichnungen. Das pandemiebedingt verringerte Verkehrsaufkommen rettete also zumindest auf der Straße Menschenleben: Während der Lockdowns gehörten leergefegte Straßen zum Alltagsbild, die Mobilität war stark reduziert.

Österreich im EU-Mittelfeld
Im Vergleich der europäischen Staaten rangiert Österreich mit diesen Zahlen weiterhin im Mittelfeld. Mit 39 im Straßenverkehr Getöteten pro 1 Mio. Einwohner*innen liegt Österreich unter dem europäischen Durchschnitt von 42 und aktuell auf Platz 13 im Europa-Ranking (Quelle: ETSC, 15th Annual PIN Report 2021). Allerdings ist die in vielerlei Hinsicht vergleichbare Schweiz mit 26 Getöteten pro 1 Mio. Einwohner*innen wesentlich sicherer unterwegs als wir. Fast stündlich wird im österreichischen Straßenverkehr jemand schwer verletzt, alle 25 Stunden stirbt ein Mensch auf Österreichs Straßen.

Rückgang der Kinderunfälle im Straßenverkehr
Im Jahr 2020 verunglückten zwei Kinder im Alter von 0-14 Jahren tödlich im heimischen Straßenverkehr, im Jahr 2019 waren 16 zu Tode gekommene Kinder zu beklagen. Auch die Zahlen der getöteten Jugendlichen und Senioren gingen im Vergleich zum Vorjahr zurück.

Trauriger Rekordwert verunglückter Radfahrer*innen
Die Zahl der schwer verletzten Radfahrer*innen – ein Viertel davon Senior*innen – war noch nie höher als im Jahr 2020, Tendenz leider stetig steigend. Im Bereich des E-Bike-Unfallgeschehens zeigt sich in allen Altersklassen eine starke Zunahme an Schwerverletzten und Getöteten. 20 von 39 getöteten Radfahrer*innen waren per E-Bike unterwegs.

Bessere Zahlen im Fußgänger- und Pkw-Verkehr
Erfreulich rückläufige Zahlen zeigt jeweils die Statistik der schwer verletzten und getöteten Fußgänger*innen, Pkw-Lenker*innen und Pkw-Mitfahrer*innen auf. Thema Sicherheitsgurt: Nur 3 % aller Pkw-Insass*innen verzichten auf den Lebensretter Gurt – dies zeigen aktuelle Beobachtungen. Wie essenziell der Griff zum Gurt ist, beweisen folgende Zahlen: Der Anteil der ungesicherten Todesopfer an allen getöteten Pkw-Insass*innen liegt bei 28 %, jener der ungesicherten Schwerverletzten an allen schwer verletzten Pkw-Insass*innen bei rund 10 %.

Freiland – gefährliches Terrain
Die Zahlen schwer verletzter und getöteter Personen auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen sinken tendenziell seit dem Jahr 2011, die Zahlen schwerer Unfälle auf Freilandstraßen liegen jedoch – auch im internationalen Vergleich – noch immer auf erschreckend hohem Level. Rund 46 % aller schweren Unfälle ereignen sich auf Freilandstraßen, Innerortsunfälle mit fatalen Folgen sind dagegen tendenziell rückläufig.

Unfallursache Nr. 1: Nichtangepasste Geschwindigkeit
Neue Hauptunfallursache Nr. 1 ist der Klassiker „Nichtangepasste Geschwindigkeit“. „Unachtsamkeit/Ablenkung“ fiel im Jahr 2020 von Platz 1 auf Platz 2 im Ranking der Hauptunfallursachen. Weiterhin auf Platz 3: „Vorrangverletzungen/Rotlichtmissachtungen“.

Weniger Alkoholunfälle
Good News gibt es in Sachen Alkohol am Steuer zu vermelden: Die Zahl der unter Einfluss von Alkohol verursachten schweren Verkehrsunfälle zeigt wieder eine sinkende Tendenz.

 

Sicherheitsindikatoren

Geschwindigkeit
Seit 2018 wurden österreichweit an 573 Straßenstellen mit einer Fahrspur pro Richtung und de facto frei wählbarem Tempo – keine Kurven, kein Stau – die Geschwindigkeiten von rund 40 Mio. Pkw gemessen. Die bedenklichen Resultate: Tempo 30 wird im Ortsgebiet von 71 % der Lenker*innen ignoriert, Tempo 50 überschreiten 45 %. Bei Tempo 80 im Freiland fahren 28 % der Beobachteten schneller als erlaubt, bei Tempo 100 tun dies 16 %. Im Jahr 2020 wurden auch an 15 Stellen im österreichischen Autobahnnetz bei Tempolimit 130 km/h Pkw-Geschwindigkeitsmessungen vorgenommen. Die erfasste Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 122 km/h, die Quote der Tempoüberschreiter*innen liegt bei 21 %.

Gurt
Die Gurtanlegequoten von Lenker*innen (97 %) und Beifahrer*innen (98 %) liegen generell auf hohem Niveau. Auf dem Rücksitz greifen jedoch nur 95 % aller erwachsenen Mitfahrer*innen zum Gurt.

Helm & Schutzkleidung
Die Helmtragequote unter Österreichs Motorrad- und Mopedfahrer*innen ist hoch – der Helm ist für diese mobile Gruppe ein absolut akzeptierter Begleiter. Bei der Nutzung angemessener (Schutz-)Bekleidung wird allerdings oft gespart. Im Ortsgebiet wird besonders oft auf schützendes Outfit wie festes Schuhwerk und lange Arm- und Beinbekleidung verzichtet: Nur 39 % sind innerorts kleidungstechnisch gut gerüstet. Alarmierend ist der vernachlässigte Dresscode auf Freilandfahrten: Nur 51 % der Moped- und Roller-Aufsass*innen tragen auf Außerortsfahrten entsprechende Schutzkleidung.

Radhelm
Zwar stieg die Radhelmtragequote bei Kindern in den letzten Jahren an, doch trotz gesetzlicher Radhelmpflicht bis zum 12. Lebensjahr tritt noch immer jedes 5. Kind ohne Helm in die Pedale. Während vorbildliche 4 von 5 Velo-Sportler*innen Helm tragen, kommt der Radhelm bei erwachsenen Radfahrer*innen im Alltagsverkehr nur zu 28 % und im Freizeitverkehr nur zu 33 % zum Einsatz.

Sichtbarkeit
Die Sichtbarkeit von Fußgänger*innen ist an Querungspunkten mit dem motorisierten Verkehr überlebenswichtig – bei Dunkelheit erst recht. Kinder tragen relativ oft Reflektoren und gut sichtbare Kleidung, mit dem Alter der Fußgänger*innen nimmt jedoch deren Auffälligkeit ab: Je älter die Personen, desto unscheinbarer ihr Look. Obwohl sich die Sichtbarkeit von Fußgänger*innen generell leicht verbessert hat, sind noch immer jedes 4. Kind und zwei von drei Erwachsenen bei Dunkelheit schlecht sichtbar zu Fuß unterwegs.

Ablenkung am Steuer
Zu den auf Österreichs Straßen meistbeobachteten Nebentätigkeiten am Steuer zählen: Telefonieren (ohne Freisprecheinrichtung), Lesen oder Schreiben von Textnachrichten, Essen, Trinken, Rauchen sowie Hantieren im Cockpit, zum Beispiel bei der Navi-Bedienung. KFV-Beobachtungen beweisen: Mehr als jeder 7. Fußgänger, jeder 12. Pkw-Lenker und jeder 56. Radfahrer sind im Straßenverkehr abgelenkt unterwegs.

 

Persönliche Einstellungen

Der Straßenverkehr – eine mobile Arena für Kollisionen und Konflikte. Sind immer nur die anderen schuld oder kehren wir mitunter auch vor der eigenen Autotür? Hier die Meinungen und Einstellungen der im Rahmen der ESRA-Studie 2018 (E-Survey of Road Users‘ Safety Attitudes) befragten Österreicher*innen im internationalen Vergleich.

Akzeptanz gesetzlicher Maßnahmen
Mehr Zustimmung als im internationalen ESRA-Durchschnitt von 20 europäischen Staaten kommt aus Österreich für ein 0,0-Promille-Alkohollimit für Fahranfänger (82 % Akzeptanz) und bei der Befürwortung eines Verbots von Kopfhörern für Fußgänger (49 % Akzeptanz). Bei der Bewertung aller anderen vorgeschlagenen Maßnahmen hinkt das österreichische Sicherheitsbewusstsein aber merklich hinterher, insbesondere demonstriert dies der schwächere Zuspruch für Alkoholwegfahrsperren für Wiederholungstäter (72 % Akzeptanz in Österreich versus 79 % Akzeptanz ESRA20) und für eine Helmpflicht für alle Radfahrer (58 % Akzeptanz in Österreich versus 68 % Akzeptanz ESRA20).

Heißes Thema Verkehrsmoral
Das mittels Meinungsbefragung erhobene Eigenverhalten heimischer Lenker*innen zeugt von ausbaufähiger Verkehrsmoral: Persönliche Temposünden, eigenes Fahren nach dem Konsum von Alkohol und Handynutzung am Steuer werden in Österreich in auffällig höherem Ausmaß berichtet als im ESRA20-Durchschnitt. Bei der Nutzung von Kindersitzen und beim Fahren über dem Alkohollimit von 0,5 Promille liegt unsere Alpenrepublik aber wieder im europäischen Durchschnitt. Musikhören mit Kopfhörern, Schreiben von SMS/E-Mails bzw. Checken von Social Media während der Fahrt sowie Radfahren auf der Straße neben dem Radweg – diese risikoreichen, teils illegalen Verhaltensweisen werden von heimischen Radfahrer*innen dagegen unterdurchschnittlich oft an den Tag gelegt.

Ein Herz für Raser und Handy-Talk am Steuer?
Was die Akzeptanz des Schnellfahrens betrifft, liegt Österreich im Bereich der internationalen Spitzenreiter: Das Überschreiten gesetzlicher Tempolimits wird von Österreichs Autofahrer*innen überdurchschnittlich stark toleriert, ebenso das Telefonieren mit Handy in der Hand am Steuer. Für weiteres mobiles Fehlverhalten wie Fahren ohne Gurt, bei Müdigkeit oder über dem zulässigen Alkohollimit findet sich in Österreich, wie auch anderswo in Europa, allerdings nur geringe Akzeptanz.

 

Fazit der KFV-Expert*innen: Es gibt noch immer was zu tun!
Österreichs Unfallzahlen sind – vor allem pandemiebedingt – gesunken, aber immer noch nicht niedrig genug. Besondere Risikogruppen sind die Schwächsten auf der Straße, die einspurig oder zu Fuß von A nach B unterwegs sind. Jeder Unfall ist einer zu viel, jedes verlorene Menschenleben eine traurige Zahl in der trostlosen Liste der Verkehrsopfer. Auch wenn das Zeitalter der Automatisierung bereits angebrochen ist: Im Mittelpunkt innovativer Maßnahmen für mehr Sicherheit auf Österreichs Straßen steht der Mensch – sein Verhalten ist nach wie vor maßgeblich für ein sicheres Miteinander. In puncto Verkehrsmoral und Sicherheitsbewusstsein ist in Österreich jedenfalls noch viel Luft nach oben: Rasen darf kein Kavaliersdelikt sein, wenn es in höchstem Maße Leib und Leben bedroht. Fazit: Es gibt noch immer was zu tun – die To-do-Liste der Verkehrssicherheitsarbeit ist lang.

Der gesamte Verkehrssicherheitsreport 2021 zum Download:
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