Verhängnisvoller Gurtverzicht: 55 Menschen pro Jahr könnten angeschnallt überleben!

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Ohne Gurt besteht bei Pkw-Unfällen 10-faches Todesrisiko – rund jeder 3. tödlich verunglückte Pkw-Insasse ist zum Zeitpunkt des Unfalls nicht angeschnallt. Eine neue KFV-Studie fokussiert das enorme Sicherheitspotenzial des Gurts und die Notwendigkeit neuer Maßnahmen: Bewusstseinsbildung, Überwachung, Sanktionierung.

Crashtests demonstrieren seit Jahrzehnten überdeutlich den hohen Nutzen des Sicherheitsgurts. Studien und Unfallstatistiken lassen wissen: Kollisionen mit und ohne Gurt sind Ereignisse mit unterschiedlichen Chancen. Bereits ein Frontalaufprall bei 50 km/h entspricht einem Sturz aus dem 3. Stock eines Wohnhauses. Die Gesetze der Physik sind gnadenlos, die des Rechtsstaats aber harmlos. Eine neue KFV-Studie liefert gute Gründe zur Hebung der Gurtmoral.

Heimische Strafhöhen auf niedrigem Niveau
Das Kraftfahrgesetz gibt vor: Jeder Kfz-Insasse ist verpflichtet, einen vorhandenen Sicherheitsgurt anzulegen. Die Höhe der Organstrafverfügung bei Nichteinhaltung dieser Verpflichtung ist mit 35 Euro festgelegt, der Strafrahmen bei Nichtzahlung oder automatischer Überwachung mit 72 Euro begrenzt. Die heimischen Strafhöhen liegen im internationalen Vergleich auf äußerst niedrigem Niveau. Außerdem sind der Exekutive oft die Hände gebunden: Nicht angegurtete Lenker können nämlich (abgesehen von automatischer Überwachung) nur dann bestraft werden, wenn sie auch angehalten werden.

KFV-Erhebungen der Gurtanlegequoten von Pkw-Insassen in Österreich zeigen: Im Jahr 2020 waren 97 % der beobachteten Personen gesichert unterwegs. Doch die 3 % der Ungesicherten sind hoher Gefahr ausgesetzt: Das Risiko für einen verunglückten Pkw-Insassen, bei einem Verkehrsunfall mit Personenschaden getötet zu werden, ist ohne Gurt 10-mal höher als mit.

Jeder 3. getötete Pkw-Insasse ohne Gurt
Die KFV-Unfallanalyse zeigt: Im Zeitraum 2015 bis 2019 wurden in Österreich pro Jahr ohne Gurt durchschnittlich 61 Pkw-Insassen getötet und 258 schwer verletzt. Rund jeder dritte getötete und jeder neunte schwer verletzte Pkw-Insasse waren zum Zeitpunkt des Unfalls ohne Sicherheitsgurt unterwegs.

Fatal lockere Gurtmoral: am Wochenende, bei Nacht, im Mix mit Alkohol und hohem Tempo
Die Gruppe der getöteten und schwer verletzten Pkw-Insassen ohne Gurt ist vorwiegend männlich besetzt – mit einem hohen Anteil der Altersgruppe 20 bis 29 Jahre. Hoch ist auch der Anteil der Hauptunfallverursacher und der alkoholisierten Lenker. Die Unfälle mit getöteten oder schwer verletzten Pkw-Gurtverweigerern ereignen sich zumeist:

  • am Wochenende (Samstag und Sonntag),
  • in den Abend- und Nachtstunden (zwischen 19.00 Uhr und 06.00 Uhr Früh),
  • bei Dunkelheit, Dämmerung und künstlicher Beleuchtung,
  • als Alleinunfälle
  • und aufgrund der Hauptunfallursachen nicht angepasste Geschwindigkeit, Unachtsamkeit/Ablenkung und Alkohol/Drogen.

Gründe für den Gurtverzicht: Kurzstrecken, Vergesslichkeit, Ablehnung
Hauptgründe für das Nichtangurten sind laut Befragungsresultaten die Kürze der Strecke, das schlichte Vergessen auf den Griff zum Gurt und die Mitfahrt als Beifahrer/Mitfahrer auf dem Rücksitz, wo der Gurt als nicht notwendig empfunden wird. Nach wie vor gibt es auch Besserwisser, die den Gurt kategorisch ablehnen und sich „aus Prinzip“ nicht anschnallen.

Drastische Crashtests machen aber immer wieder deutlich: Ungesicherte Fond-Passagiere gefährden nicht nur ihr eigenes Leben – sie werden im Ernstfall einer Frontalkollision zu menschlichen Torpedos und somit für Lenker und Beifahrer zur tödlichen Gefahr.

Positive Einflussfaktoren auf die Gurtverwendung sind schlechtes Wetter, hohes Verkehrsaufkommen, höhere Geschwindigkeiten und längere Fahrtstrecken. Die Mitnahme von Kindern beeinflusst das Anschnallverhalten der Erwachsenen ebenfalls positiv: Einerseits drängt der eigene Wunsch nach Vorbildwirkung zu korrektem Verhalten, andererseits die mahnende Erinnerung an den Griff zum Gurt vonseiten kritisch-wachsamer junger Passagiere.

Sicherheitsreserve Gurt: 55 gerettete Menschenleben pro Jahr!
Ein wesentliches Ziel der Verkehrssicherheitsarbeit ist eine weitere Anhebung der Gurtanlegequote auf Österreichs Straßen, denn der Sicherheitsgurt ist eine effektive Sicherheitsreserve – und der Griff zum Gurt so einfach und wortwörtlich naheliegend. KFV-Berechnungen zeigen: Eine Pkw-Gurtanlegequote von 100 % könnte auf Österreichs Straßen pro Jahr etwa 55 Menschen das Leben retten und 195 schwer verletzte Pkw-Insassen vermeiden – mit einem finanziellen Einsparungspotenzial von ca. 265 Millionen Euro volkswirtschaftlicher Unfallfolgekosten.

Maßnahmenmix für mehr Sicherheit
Der Maßnahmenmix zur Erhöhung der Gurtanlegequote braucht konsequente Überwachung der Gurtverwendung und adäquate Sanktionierung des Gurtverzichts. Zu diesen essenziellen Maßnahmen gehören höhere Strafen für die Missachtung der Anschnallpflicht, die Aufnahme des Nichtangurtens in das Vormerksystem, die Beseitigung des polizeilichen Kontrollhindernisses der Anhalteverpflichtung und verstärkte Kontrollen der Gurtverwendung. Ein weiterer wertvoller Beitrag ist intensivierte Bewusstseinsbildung, die dem Nutzen des Sicherheitsgurts mehr Aufmerksamkeit verschafft.

Hier der Link zur neuen KFV-Studie zum Thema Sicherheitsgurt:
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