Immer wieder kommt es in den Bergen zu Unfällen mit aggressivem Almvieh – als Reaktion auf Ruhestörung durch Menschen und ihre Hunde. Abstand und Besonnenheit sind beim Almwandern daher das A & O.
Sommer in Österreich – ein Sommer wie damals? Corona hat vieles verändert – und viele von uns in Sachen Urlaubsplanung back to the roots gebracht: Wir ziehen in Scharen im Frühtau zu Berge, um auf Almwanderungen die Seele baumeln zu lassen. Doch aus so mancher Almidylle wird schnell ein ungewolltes Abenteuer – bei Ausrutschern auf alpinen Wegen oder bei gefährlichen Begegnungen mit aggressivem Weidevieh.
Bewusstsein für Gefahren in den Bergen
In den Bergen spielt die menschliche Eigenverantwortung aus juristischer Sicht generell eine größere Rolle als im Flachland. Wer sich bewusst in eine besondere Situation begibt, muss sich auch auf besondere Anforderungen vorbereiten. Jeder ist dabei für sich selbst verantwortlich, auch der Unerfahrene. Die Realität sieht leider anders aus: Zu den klassischen Fehlverhaltensweisen von Wanderern zählen falsche Ausrüstung, besondere Unaufmerksamkeit und Ignoranz von Warnungen und Warntafeln.
KFV-Jurist Dr. Armin Kaltenegger betont: „Jeder ist verpflichtet, die Schwierigkeitsgrade von Wegen zu beachten. Aufgrund der besonderen Bedingungen im Gebirge – Lawinen, Erdrutsche, Steinschlag – ist es fast unmöglich, Wege stets in gefahrlosem Zustand zu halten. Jedem Benutzer muss also bewusst sein: Auch bei bester Planung, Einteilung, Beschilderung und Markierung der Wander- und Bergwege bleibt für Bergwanderer stets ein selbst zu tragendes Restrisiko bestehen.“
Im Haftungsrecht verankert wurde nun auch die für BesucherInnen von Almen und Weiden „erwartbare Eigenverantwortung“ betreffend die durch Alm- und Weidewirtschaft drohenden Gefahren und die anwendbaren Verhaltensregeln. Im Tiroler Almgesetz wurde u. a. festgelegt, dass sich „Besucher von Almen so zu verhalten haben, dass der Almbetrieb nicht beeinträchtigt und insbesondere das Weidevieh durch sie oder durch von ihnen mitgeführte Tiere nicht gestört, beunruhigt oder gereizt wird.“
Besonderes Risiko: Hunde auf der Alm
Almwandern mit Hunden ist ein Kapitel für sich: Bergpfade, die durch weitläufige, nicht eingezäunte Kuh-Almen führen, können für Wanderer unter bestimmten Umständen gefährlich werden – besonders in Begleitung ihrer Vierbeiner.
Gemäß einer Studie des Kuratoriums für Alpine Sicherheit wurden in den letzten zehn Jahren 54 Weidevieh-Attacken – mit und ohne Personenschaden – verzeichnet. Derartige Angriffe durch Weidetiere erfolgen zumeist, wenn Mutterkühe ihre Kälber bedroht sehen – Hunde werden von Rindern als Wölfe betrachtet und somit als akute Bedrohung erkannt.
Laut Rechtsprechung müssen Hundehalter über die mit der Hundehaltung verbundenen Gefahren Bescheid wissen. Im tragischen Fall des tödlichen Alm-Unfalls im Tiroler Pinnistal im Jahr 2014 bedeutet dies: Die deutsche Urlauberin hätte wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde und damit zwingend auch ein Risiko für Hundeführer darstellen. Die Almbesucherin und ihr angeleinter Hund wurden von einer Mutterkuhherde attackiert – mit fatalen Folgen: Die Frau erlag ihren schweren Verletzungen.
Aktionsplan für mehr Almsicherheit
Zur Vermeidung weiterer Unfälle mit Weidevieh leiteten die Bundesregierung unter Federführung von Bundesministerin Elisabeth Köstinger, die Landwirtschaftskammer und der Alpenverein im März 2019 einen neuen Aktionsplan in die Wege. Neben verstärkter Berücksichtigung der Eigenverantwortung inkludiert dieser Aktionsplan auch spezielle Verhaltensregeln für AlmbesucherInnen und Richtlinien für Bauern und Bäuerinnen.
Eine Verpflichtung, das Weidegebiet von Rindern durch Zäune abzugrenzen, besteht jedoch nicht, denn Kühe stellen im Allgemeinen keine Gefahr für den Menschen dar. An touristisch oder verkehrsmäßig stark frequentierten Stellen wurden in Almgebieten die Anforderungen für die nötige Verwahrung und Beaufsichtigung von Tieren erhöht und zumutbare Sicherungsmaßnahmen gefordert. Das Aufstellen entsprechender Warnschilder reicht jedoch nicht aus – im Einzelfall müssten auch Wanderwege eingezäunt werden.
Alm-Regeln für ein sicheres Miteinander von Mensch und Tier:
- Kontakt zum Weidevieh vermeiden, Tiere nicht füttern, sicheren Abstand halten!
- Ruhig verhalten, Weidevieh nicht erschrecken!
- Mutterkühe beschützen ihre Kälber – Begegnungen von Mutterkühen und Hunden daher stets vermeiden!
- Hunde immer unter Kontrolle halten und an der kurzen Leine führen. Ist ein Angriff durch ein Weidetier abzusehen: Sofort ableinen!
- Wanderwege auf Almen und Weiden nicht verlassen!
- Wenn Weidevieh den Weg versperrt, mit möglichst großem Abstand umgehen!
- Bei Herannahen von Weidevieh: Ruhig bleiben, den Tieren nicht den Rücken zukehren, großräumig ausweichen!
- Schon bei ersten Anzeichen von Unruhe die Weideflächen zügig verlassen!
- Zäune beachten, vorhandene Tore nutzen und diese danach wieder gut schließen!
- Begegnen Sie Menschen, Tieren und Natur mit gebührendem Respekt!