Schwere Zeiten – leichte Beute

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Europol und Interpol schlagen Alarm: Das Geschäft mit der Angst findet neue Opfer und Wege. Ein Überblick über Kriminalitätstrends in Zeiten von Corona.

Dr. Armin Kaltenegger: „Das Geschäft mit der Angst findet neue Opfer und Wege.

Angst und Not förderten immer schon Lug und Trug: Unsicherheit ist der perfekte Nährboden für kriminelle Energie. Aktuell verzeichnen Europol und Interpol einen deutlichen Anstieg von Cybercrime: Mehr Phishing und Ransomware, neue betrügerische Onlineshops mit unmoralischen Produktangeboten zum vermeintlichen Schutz vor Corona und eine weitere Verlagerung von Verbrechen ins Internet.

Das Geschäft mit der Angst
In Österreich wird von betrügerischen Personen berichtet, die sich – oft in Schutzausrüstung oder unechten Uniformen adjustiert – als Mitarbeitende von Behörden ausgeben, um Zugang zu Wohnungen, Kontonummern oder Bargeld zu erschleichen oder illegale Spenden zu sammeln, die dann in die eigene Tasche wandern. Auch der altbekannte Enkel- und Neffentrick erlebt ein trauriges Revival.

Die europäische Polizeibehörde Europol betont: Es geht vor allem um das Ausnutzen des Unsicherheitsgefühls der Bevölkerung in emotional herausfordernden Zeiten wie diesen. Ob Handel mit gefälschter Schutzausrüstung, pseudomedizinischen Produkten und einer Flut gefälschter Covid-19-Medikamente oder Lieferbetrug mit vermeintlicher Schutzware, die trotz Überweisung des Kaufpreises nicht ankommt: Das Geschäft mit der Angst blüht.

Auch die globale Polizeibehörde Interpol informiert über aktuelle Entwicklungen der internationalen Kriminalität: Schwere Verbrechen wie Kinderpornographie und Menschenhandel werden noch mehr als bisher über das Internet und dessen dunkle Kanäle abgewickelt. Die organisierte Kriminalität sucht auch nach Zugang zum Dienstleistungssektor in der Gesundheitsbranche – Stichwort Lohn- und Leistungsdumping – und nutzt Lokale insolventer Gastronomiebetriebe für Geldwäsche.

Kriminologen erkennen einen deutlichen Trend: weniger klassische Einbrüche, weniger Taschendiebstähle – mehr kriminelle Handlungen im Internet und Untergrund. Der Rückgang der angezeigten Kriminalität geht einher mit vermehrter Aktivität im diffusen Dunkelfeld.

Der Feind in meinem Bett
Krisenzeiten mit eingeschränkten persönlichen Freiheiten und wirtschaftlichen Problemen wie Jobverlust und Geldnot fördern auch Probleme häuslicher Gewalt. Frauen in Gewaltbeziehungen sind einem höheren Risiko ausgesetzt, wenn mehr Zeit im gemeinsamen Haushalt verbracht wird. Um Eskalationen zu vermeiden, sollte frühestmöglich Hilfe von außen geholt werden – Frauenhäuser stehen betroffenen Frauen mit psychologischer und rechtlicher Beratung zur Seite.


Vorsätzliches Anhusten
Auch das vorsätzliche Anhusten oder Anspucken von Menschen mit der gleichzeitigen Bekundung, mit dem Coronavirus infiziert zu sein, ist leider ein aktuelles Thema. In Österreich ist das Vortäuschen einer Infektionskrankheit strafbar bzw. bei tatsächlicher Infektion auch die Tat selbst.


Falsche Hoffnungen, radikale Ideen
Bedenklich ist auch die Zunahme von Falschnachrichten und Verschwörungstheorien zum Thema Corona – oft gepaart mit rechtsradikalen, esoterischen oder querulierenden ideologischen Ansätzen. In Deutschland hat diese Querfront aus Radikalen bereits zur Gründung einer neuen Partei (#widerstand2020) geführt. In Österreich sind es vor allem strikte Impfgegner, radikale Naturheilmittelanhänger, Rechtsradikale und Verschwörungstheoretiker, die in sozialen Medien unwissenschaftliche Fake News verbreiten.

Gefährlich ist der damit verbundene Zuwachs an Leichtgläubigen, die sich nicht an die staatlich verordneten und von renommierten ExpertInnen empfohlenen Präventionsmaßnahmen halten und somit ein Risiko für die Allgemeinheit darstellen. Darüber hinaus birgt Radikalisierung in jeder Form stets Gewaltpotenzial in sich.

Gefährdete Wildtiere
Ein weiterer Aspekt der Corona-Krise scheint eine Häufung im Bereich des Wilderns bzw. des Tötens geschützter Tierarten zu sein. Gemäß einer Aussendung des WWF kam es in Österreich und seinen Nachbarländern während der Ausgangsbeschränkungen zu einer auffälligen Häufung der illegalen Tötung geschützter Greifvögel. Auch in Sachen Tierschutz sind soziale Kontrolle und Zivilcourage gefragt – im Verdachtsfall kann anonym polizeiliche Anzeige erstattet werden.