Zur Schule gehen muss gelernt sein: KFV ruft zum Schulwegtraining auf

686

Für viele Tafelklässler*innen beginnt bald nicht nur die Schullaufbahn, sie machen auch ihre ersten eigenen Schritte als Verkehrsteilnehmende. Denn oft sind sie am Schulweg das erste Mal selbständig im Straßenverkehr unterwegs. Doch das muss erst geübt sein: Die Ausbildung zum sicheren Bewegen als Verkehrsteilnehmende startet bereits jetzt vor Schulbeginn, erklärt das Kuratorium für Verkehrssicherheit.

Wien, 24. August 2023. Die Kinderunfallbilanz zeigt ernüchternd, dass Kinder nach wie vor auch am Schulweg verunfallen. 2022 gab es österreichweit 418 Verkehrsunfälle, bei denen insgesamt 434 Schüler*innen am Weg von oder zur Schule verletzt wurden. Ein Kind kam bei einem Schulwegunfall ums Leben. Neben der Bewusstseinsbildung von Erwachsenen zum Thema Schulbeginn, gehört auch das Schulwegtraining zum Schulanfang dazu, so die Expert*innen des KFV. Dieses sei wesentlich für die Sicherheit von Kindern am Schulweg.

„Wir müssen Tafelklässler*innen als Verkehrsanfänger*innen vorbereiten. Zur Schule gehen will auch gelernt sein.“ 

KFV-Sicherheitsexperte Dipl.-Ing. Christian Kräutler: „Zur Schule gehen will auch gelernt sein!“

Schulanfänger*innen sind oft auch Verkehrsanfänger*innen
Der Sommer – und spätestens jetzt der Spätsommer – dient Eltern und Erziehungsberechtigten als Übungszeit für den Schulweg mit ihren Schützlingen. Zur Vorbereitung, um diesen später auch sicher allein absolvieren zu können, sollte man den Weg festlegen, gemeinsam üben und das richtige Verhalten erklären. Von Mal zu Mal können die Erwachsenen sich dann zurücknehmen und das Kind bei der Anwendung des Gelernten beobachten sowie gegebenenfalls unterstützen. „Wie in die erste Schultüte oft vieles gepackt wird, was man im Alltag als Schüler*in nicht missen möchte, müssen wir auch das Wissen um das richtige Verhalten am Schulweg mitgeben und Tafelklässler*innen als Verkehrsanfänger*innen vorbereiten. Zur Schule gehen will auch gelernt sein“, so Dipl.-Ing. Christian Kräutler, Verkehrssicherheitsexperte im KFV.

„Kinder sind eine der Gruppen von Verkehrsteilnehmenden, die besonders ungeschützt ist.“

Perspektivenwechsel
Für das Üben empfehlen die KFV-Expert*innen auch einen Perspektivenwechsel durchzuführen, denn Kinder sind besondere Verkehrsteilnehmende: Bedingt durch ihre Körpergröße sehen und erleben sie den Straßenraum anders als Erwachsene. Auch das richtige Abschätzen von Gefahren, Entfernungen und Geschwindigkeiten muss erst gelernt sein. Schulanfänger*innen können sich noch nicht in andere Verkehrsteilnehmende hineinversetzen. Sie können nicht über Autodächer hinwegsehen, bemerken herankommende Fahrzeuge daher auch später als Erwachsene und werden aufgrund ihrer Größe auch selbst später im Straßenverkehr wahrgenommen. „Kinder sind eine der Gruppen von Verkehrsteilnehmenden, die besonders ungeschützt ist: Sie sind nicht nur aufgrund ihrer Größe schlechter sichtbar, sondern auch aufgrund schlechter Sichtverhältnisse oder unübersichtlichen Kreuzungen und Querungsstellen“, schildert Kräutler die Verkehrssituation.

Kindgerechter Verkehr und Verkehrsteilnehmende
Seit Einführung der Verkehrserziehung 1983 ist ein Rückgang der im Straßenverkehr verletzten Kinder (0-14 Jahre) um mehr als die Hälfte (1983: 5.631 Kinder, 2022: 2.689 Kinder) zu erkennen. Die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Kinder (0-14 Jahre) ist von 86 getöteten Kindern 1983 auf 13 getötete Kinder 2022 gesunken.[1] Im Vergleich zu den Verletzten im Straßenverkehr gesamt (-33%) hat sich die Zahl der verletzten Kinder im Straßenverkehr deutlicher in den letzten 40 Jahren reduziert (-52%). Dennoch passieren nach wie vor Unfälle – häufig durch Ablenkung, Rotlichtmissachtungen und Vorrangverletzungen durch die Erwachsenen. „In 71% der Fälle ist das Kind nicht Unfallverursacher“, weiß Kräutler. „Unsere Straßen-Infrastruktur ist zudem auf Erwachsene ausgelegt. Unser Ziel muss es sein, kindersichere Städte mit sicherem Raum für auch die schwächsten Verkehrsteilnehmenden zu gestalten. Wir brauchen nicht das verkehrsgerechte Kind, sondern einen kindergerechten Verkehr.“

„Langsam fahren im Schulumfeld ist für Kinder lebensrettend.“

Besonders die erwachsenen Verkehrsteilnehmenden müssen lernen, sich und ihren Fahrstil anzupassen, um Unfälle zu verhindern. Autofahrer*innen sollten immer bremsbereit und konzentriert fahren und mit allem rechnen. Das langsamere Fahren unterstützt bei der Reaktion und dem Bremsen. „Beispiel Tempo 30: Wenn ein Auto 30 km/h fährt, ist der Anhalteweg 13 Meter. Wenn dasselbe Fahrzeug 50 km/h fährt, hat das Fahrzeug nach 13 Metern noch immer 50 km/h auf dem Tacho. Bei einem Aufprall mit 50 km/h sterben 4 von 10 Personen. Deshalb ist langsam fahren im Schulumfeld so wichtig – und für Kinder lebensrettend“, so Kräutler.

Wichtig ist es, neben der Entschärfung von Gefahrenstellen, auch das Bewusstsein für die Sicherheit von Kindern im Straßenverkehr gezielt zu erhöhen. Gemeinsam mit der AUVA (Allgemeine Unfallversicherungsanstalt) appelliert das KFV daher nun an die Erwachsenen, mehr Rücksicht auf Kinder im Straßenverkehr zu nehmen. Mit „Achtung! Wir sind zurück“ auf rund 7.700 Aktionsplakaten in mehr als 1.300 Gemeinden in 5 Bundesländern verweisen sie auf die Wiederaufnahme des Schulbetriebs im Herbst und die kleinsten Verkehrsteilnehmenden.

KFV-Tipps für den sicheren Schulweg

  • Helle, gut sichtbare Kleidung und Reflektoren z.B. auch an der Schultasche nutzen. Diese erhöhen die Sichtbarkeit der Kinder enorm, was besonders in den dunklen Herbst- und Wintertagen den entscheidenden Unterschied machen kann.
  • Wählen Sie einen möglichst gefahrenlosen Schulweg mit wenigen und sicheren Fahrbahnquerungen und verkehrsarmen Straßen aus. Ideal sind Überwege mit Ampelregelung, Mittelinsel und eine Sicherung durch Exekutive oder Schülerlotsen. Der kürzeste Weg ist nicht immer der sicherste!
  • Üben Sie auch die „richtigen Bedingungen“, etwa im Frühverkehr oder zu Mittag an Arbeitstagen.
  • Trainieren Sie das richtige Überqueren einer Straße mit Stehenbleiben, aufmerksamen Pendelblick und das Suchen des Blickkontakts mit den Autolenker*innen.
  • Erklären Sie, welches Verhalten sicher ist, wenn der normale Schulweg durch Hindernisse blockiert ist, z.B. eine Baustelle den Gehsteig versperrt, eine Ampel ausgefallen ist oder der Bus nicht kommt.
  • Lassen Sie sich nach einigen Trainingstagen von Ihrem Kind führen, das dabei sein Verhalten kommentiert. So wird klar, ob es alles richtig verstanden hat. Loben Sie das Kind ausdrücklich bei richtigem Verhalten. Geben Sie konstruktive Kritik, indem Sie sicheres Verhalten erklären und begründen.
  • Schulwegpläne nutzen: Diese werden für viele Volksschulen individuell erstellt und zeigen empfohlene Routen. Sie werden in Zusammenarbeit von AUVA und KFV erstellt und laufend aktuell gehalten. schulwegplan.at

KFV-Tipps für Lenker*innen und Erwachsene

  • Ermöglichen Sie Kindern immer eine sichere Querung der Straße: Der „unsichtbare Schutzweg“ gilt immer und überall, auch in Begleitung von Erwachsenen. Geben Sie Kindern genug Zeit, um die Straße in Ruhe zu überqueren.
  • Fahren Sie langsamer und bremsbereit, wenn Sie Kinder im Bereich der Straße sehen – insbesondere um Schulen, Kindergärten, Sport- und Spielplätze sowie Haltestellen von Schulbussen und anderen öffentlichen Verkehrsmitteln. Besonders zu Schulbeginn zwischen 7 und 8 Uhr sollte man vermehrt mit Schüler*innen rechnen.
  • Halten Sie vor Zebrastreifen immer vollständig an, wenn ein Kind die Straße überqueren möchte. Kinder lernen in der Verkehrserziehung, den Zebrastreifen erst zu überqueren, wenn ein Fahrzeug steht. Nehmen Sie auch Blickkontakt zum Kind auf.
  • Achten Sie auch auf Schüler*innen, die Rad oder Micro Scooter fahren, und halten Sie genügend Abstand.
  • Der Vertrauensgrundsatz ist nicht auf Kinder anwendbar: Beachten Sie, dass Kinder Entfernungen noch nicht richtig einschätzen können und leicht ablenkbar sind. Halten Sie ausreichend Abstand zu Kindern. Es ist für Kinder noch schwierig, begonnene Handlungen, wie das Laufen zu einem Hund, plötzlich zu unterbrechen.
  • Vermeiden Sie Elterntaxis, wenn möglich: Denn das verdichtet den Verkehr, was wiederum gefährliche, und insbesondere auch für Kinder unübersichtliche Situationen auslösen kann.
  • Nehmen Sie Ihre Vorbildwirkung ernst! Kinder nehmen das Verhalten von Erwachsenen als richtig an. Viele weitere wertvolle Tipps und Unterstützung beim Schulwegtraining finden Sie auch im kostenlosen Eltern-Handbuch „Role Model“, das Sie auf unserer Website finden.

Hören Sie auch in unsere aktuelle KFV-Podcast-Folge zum Thema Schulwegtraining hinein. Den Vordenker*innen-Podcast „Sicher ist sicher“ finden Sie hier und auf allen gängigen Podcatcher-Plattformen.

[1] Anm.: Die Zahl der Getöteten unterliegt starken jährlichen Schwankungen: 2021 waren es etwa 6 Kinder, die im Straßenverkehr ihr Leben verloren haben.

Presseaussendung.pdf