Sie zählen als Vormerkdelikte und können Kfz-Lenkenden, aber auch Radfahrenden und E-Scooter-Fahrenden hohe Strafen einbringen – trotzdem sind Vorrangverletzungen, wie das Missachten einer roten Ampel, die Verkehrsunfallursache Nr. 2 in Österreich.
Wien, 19. Oktober 2022. „Das geht sich noch aus“ oder „Es ist eh niemand in der Nähe“ – das denken sich die meisten Verkehrsteilnehmenden laut einer Umfrage des KFV, wenn sie an einer Kreuzung das Rotlicht missachten. In Österreich passiert das etwa vier Mal pro Sekunde. Damit bringen sich diese Personen selbst und andere in eine gefährliche Situation. Denn: Jedes Jahr ereignen sich rund 525 Unfälle mit Rotlichtmissachtung an ampelgeregelten Kreuzungen, bei denen 774 Personen verunglücken. 2021 war Vorrangverletzung bzw. Rotlichtmissachtung die Hauptunfallursache für jeden vierten Unfall mit Personenschaden, das ist die zweithäufigste Hauptunfallursache. „Allein vom 1. Jänner bis zum 16. Oktober 2022 wurden bereits 58 Menschen bei Unfällen getötet, die aufgrund einer Vorrangverletzung bzw. Rotlichtmissachtung ausgelöst wurden“, berichtet DI Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV. „Das sind 19 Prozent aller Personen, die in diesem Zeitraum bei Verkehrsunfällen gestorben sind.“
Radfahrende und E-Scooter-Fahrende auf Platz 1 der Rotlichtmissachtenden
Das KFV führte im Frühjahr 2022 Verhaltensbeobachtungen durch. Von den mehr als 81.000 beobachteten Verkehrsteilnehmenden, die die Möglichkeit hatten, überquerten fast 5.000 (6 %) Personen die Kreuzung trotz roter Ampel. Die Spitzenplätze werden dabei ausgerechnet von den ungeschützten Verkehrsteilnehmenden belegt, die bei einer Kollision die schlechtesten Karten haben. Unter den Radfahrenden und E-Scooter-Fahrenden ignorierte jede 8. beobachtete Person die rote Ampel, unter den zu Fuß Gehenden jede 12. beobachtete Person. Aber auch jede*r 50. Pkw-, Moped- und Motorrad-Lenkende missachtete das Rotlicht.
Wenig Verkehr, lange Wartezeiten, Zeitdruck und der wartende Bus
Zusätzlich zu den Beobachtungen befragte das KFV in einer repräsentativen Umfrage 2022 österreichweit mehr als 1.000 Rotlichtmissachtende ab 16 Jahren zu den Gründen, warum sie an einer roten Ampel nicht stehen bleiben. Zu Fuß Gehende und Radfahrende gaben an, das Rotlicht hauptsächlich dann zu missachten, wenn sich keine anderen Verkehrsteilnehmenden in der Nähe befinden – zum Beispiel zu bestimmten Tag- und Nachtzeiten. Vor allem für Personen, die zu Fuß unterwegs sind, sind auch lange Wartezeiten, Zeitdruck oder der wartende Bus auf der anderen Straßenseite ein Grund, bei Rot über die Kreuzung zu laufen. Pkw-Lenkende fahren hingegen bei Rot über die Kreuzung, weil sie denken, dass es sich noch vor der Rotphase ausgeht, weil sie nicht mehr rechtzeitig bremsen können oder weil sie das Grünblinken bzw. Gelblicht übersehen haben. Auch die Verkehrsauslastung spielt für Pkw-Lenkende eine Rolle: Bei Stau wird versucht, noch schnell über die Kreuzung zu kommen.
Rotlichtmissachtung mit Vorrangverletzung ist ein Vormerkdelikt
Gemäß § 38 Abs. 5 der Straßenverkehrsordnung (StVO) gilt ein rotes Licht als Zeichen für „Halt“, bei dem die Lenkenden von Fahrzeugen (inkl. Radfahrenden) anzuhalten haben. Wer das nicht tut und dabei andere Lenkende zum unvermittelten Bremsen oder Ablenken nötigt, handelt sich damit eine Vormerkung im Führerscheinregister und eine Strafe zwischen 72 und 2180 Euro ein. Zu Fuß Gehende und E-Scooter-Fahrende, die das Rotlicht missachten, bewegen sich in einem Strafrahmen von bis zu 726 Euro.
„Wir sehen eindeutig, dass in allen Gruppen von Verkehrsteilnehmenden das Queren oder Fahren bei Rot auf die leichte Schulter genommen wird. Dementsprechend sehen auch die Unfallzahlen aus. Im KFZ-Verkehr werden Rotlichtüberwachungskameras erfolgreich eingesetzt, aber die Beobachtungs- und Befragungsergebnisse zeigen, dass alle Verkehrsteilnehmenden an den Kreuzungen stärker kontrolliert werden sollten“, so Robatsch. „Rechtsabbiegen bei Rot kann zwar seit 01. Oktober 2022 für Radfahrende und E-Scooterfahrende erlaubt werden, das gilt jedoch nur an einzelnen, mit Grünpfeil gekennzeichneten Kreuzungen. Es ist außerdem nur auf Kreuzungen erlaubt, die den Einsatzkriterien entsprechen und wo deshalb andere Verkehrsteilnehmende nicht gefährdet werden. An allen anderen Stellen bedeutet rotes Licht: auf jeden Fall stehen bleiben. Das muss sowohl den schwächeren Verkehrsteilnehmenden als auch den KFZ-Lenkenden wieder deutlicher ins Bewusstsein gerufen werden.“
Unfälle mit Rotlichtmissachtungen nach Bundesländern:
Bundesland | Unfälle mit Rotlichtmissachtung (Jahresdurchschnitt) | Verunglückte bei Unfällen mit Rotlichtmissachtung (Jahresdurchschnitt) | ||
absolut | relativ | absolut | relativ | |
Wien | 241 | 46% | 339 | 44% |
Niederösterreich | 56 | 11% | 88 | 11% |
Burgenland | 1 | 0% | 1 | 0% |
Kärnten | 28 | 5% | 42 | 5% |
Oberösterreich | 76 | 14% | 123 | 16% |
Salzburg | 21 | 4% | 30 | 4% |
Steiermark | 68 | 13% | 96 | 12% |
Tirol | 22 | 4% | 34 | 4% |
Vorarlberg | 13 | 3% | 20 | 3% |
Gesamt | 525 | 100% | 774 | 100% |
Quelle: Verkehrsunfallstatistik der Statistik Austria, Durchschnitt der Jahre 2017-2021