Pro Tag krachen in Österreich durchschnittlich zwei Pkw an Bäume im Straßenraum. Alle zehn Tage stirbt ein Mensch bei einer Pkw-Baumkollision. Eine KFV-Studie untersucht die Ursachen dieses fatalen Unfalltyps und liefert drei essenzielle Gegenrezepte: Temporeduktion, Bewusstseinsbildung und optimierte Infrastruktur.
Wenn der Baum im Weg steht, ist alles zu spät: Pkw-Baumkollisionen sind auf Österreichs Straßen alltägliche Ereignisse – in vielen Fällen mit tödlichem Ausgang. Welche Ursachen und Umstände führen zu diesen fatalen Zusammenstößen? Welche Personen am Pkw-Steuer sind besondere Risikogruppen? Welche Maßnahmen können Baumkollisionen verhindern? Eine Studie des KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) beleuchtet die Problematik des Unfalltyps „Anprall auf Baum“ und mögliche Gegenmaßnahmen.
Pkw-Baumkollisionen: Jeder 10. Tag endet tödlich
Die KFV-Analyse der österreichischen Verkehrsunfallstatistik spricht eine deutliche Sprache:
- Pro Tag ereignen sich in Österreich durchschnittlich rund zwei Verkehrsunfälle mit Personenschaden des Unfalltyps „Anprall auf Baum“.
- Der Anteil dieser Unfallereignisse am Gesamtunfallgeschehen ist mit 2,1 Prozent zwar gering, jener der dabei Getöteten an allen Verkehrstoten Österreichs lässt aber aufhorchen: Hier handelt es sich nämlich um 9,5 Prozent. Ein Beweis für die drastische Schwere dieser Unfälle.
- Traurig, aber wahr: Alle zehn Tage kommt in Österreich ein Mensch bei einem Pkw-Unfall der Kategorie „Anprall auf Baum“ ums Leben.
Dringende Beweggründe für das KFV-Forschungsteam, sich im Dienste der Sicherheit auf weitere Spurensuche zu begeben: Der Fokus der Detailanalyse der Unfallforscher*innen lag auf Pkw-Alleinunfällen im Freiland – also auf klassischen Landstraßen, ausgenommen Autobahnen und Schnellstraßen.
Gefahrenzone Freiland: freie Wildbahn in Sachen Geschwindigkeit?
Freilandstraßen sind seit Jahrzehnten berüchtigte Gefahrenzonen des österreichischen Straßennetzes – hier werden die meisten tödlichen Unfälle verbucht. Eine tragende Rolle in diesem tragischen Geschehen spielt nicht-angepasste, meist stark überhöhte Geschwindigkeit.
Das KFV-Forschungsteam nahm im Rahmen der aktuellen Freiland-Studie den Unfalltyp „Anprall auf Baum“ näher unter die Lupe – die Detailanalyse der Unfalldaten von Pkw-Baumkollisionen auf Freilandstraßen brachte im Vergleich mit der Gesamtunfallstatistik und mit sonstigen Unfalltypen im Freiland wichtige Erkenntnisse zutage:
- Faktor Dunkelheit: Pkw-Alleinunfälle im Freiland (Baumkollisionen und sonstige Unfalltypen) ereignen sich im Vergleich zum Gesamtunfallgeschehen überdurchschnittlich oft in den Abend-, Nacht- und frühen Morgenstunden (20.00 Uhr bis 08.00 Uhr).
- Faktor Mann am Steuer: Bei Pkw-Alleinunfällen im Freiland mit dem Merkmal „Anprall auf Baum“ sind erhöhte Anteile männlicher Lenker zu verzeichnen.
- Faktor Unerfahrenheit: Junge Lenkende unter 25 Jahren haben hohe Anteile am Unfallgeschehen der Kategorie Baumkollisionen.
- Faktor Gurtverzicht: Der Sicherheitsgurt ist bei Pkw-Alleinunfällen im Freiland zum Unfallzeitpunkt seltener in Verwendung – ein Zeichen folgenschwerer Ignoranz. Für nicht angeschnallte Lenkende besteht ein 10-faches Risiko, bei einem Unfall getötet zu werden.
- Faktor Geschwindigkeit: Hauptunfallursache ist – mit oder ohne Baum im Weg – zumeist „nicht-angepasste Geschwindigkeit“. Auf Strecken mit einem gesetzlichen Tempolimit von 100 km/h kommt es besonders oft zu Pkw-Baumkollisionen.
- Faktor Alkohol am Steuer: Bei etwa jedem 5. Pkw-Alleinunfall im Freiland wird eine Alkoholisierung der lenkenden Person festgestellt, während Alkohol am Steuer im Gesamtunfallgeschehen nur einen Anteil von 6,8 Prozent ausmacht.
- Faktor Straßenglätte: Die Anzahl der Nässeunfälle ist in der Kategorie der Baumkollisionen etwas höher als bei Alleinunfällen allgemein.
- Faktor Infrastruktur: Vor allem auf niederrangigen Freilandstraßen abseits des Landesstraßennetzes fehlt in den betrachteten Unfallbereichen sicherheitsfördernde Fahrbahnmarkierung.
- Faktor Bepflanzungsgrad: Der größte Anteil der Pkw-Baumkollisionen wird in Walddurchfahrten verzeichnet (28,5%), gefolgt von Streckenverläufen mit Einzelbäumen an nur einer Seite der Fahrbahn (rund 15%) und Fahrbahnabschnitten mit beidseitiger Anordnung von Einzelbäumen bzw. Baumreihen (rund 10%).
Vermeidung von Baumkollisionen: drei KFV-Empfehlungen
Freilandstraßen generieren die höchsten Unfallzahlen des österreichischen Straßennetzes – entscheidender Faktor ist auch hier der Mensch am Steuer. Er wählt die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs, greift zum Gurt oder nicht, fährt nüchtern und achtsam – oder nicht.
Drei wesentliche Maßnahmen können Pkw-Lenkende auf Freilandstraßen bei der Wahl der richtigen Geschwindigkeit und sicheren Fahrlinie unterstützen – und ihr Sicherheitsbewusstsein „auf Vordermann“ bringen:
- Herabsetzung der Tempolimits auf Freilandstraßen: Pkw-Baumkollisionen im Freiland werden meist auf Tempo-100-Strecken verzeichnet – eine Reduktion der gesetzlich erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 auf 80 km/h könnte pro Jahr dutzende Menschen vor dem Tod auf der Straße bewahren.
- Intensivierte Bewusstseinsbildung: Denken beim Lenken kann Leben retten. Die im Bereich der Pkw-Baumkollisionen prominent vertretenen Risikofaktoren „jung, männlich, Gurtverzicht, Alkohol“ machen verstärkte Information und Bewusstseinsbildung zu einem absoluten Muss. Zielgruppe Nummer 1: junge Männer, unter anderem im Rahmen der Fahrausbildung.
- Optimierte Orientierung: Bodenmarkierung und infrastrukturelle Leitelemente sollen in kritischen Streckenbereichen für leichter einhaltbare Linienführung und besseren Durchblick sorgen.
Die vollständige Studie finden Sie hier als Download-Version:
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