Die österreichische Bevölkerung muss sich in den kommenden Jahren auf immer häufiger auftretende Extremwetterereignisse einstellen. Sich richtig schützen und vorbeugend Maßnahmen ergreifen, ist wichtiger denn je, erklärten Experten des österreichischen Versicherungsverbandes VVO, des KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) und der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Schon heute sind psychische und materielle Folgen in Österreich nicht zu unterschätzen.
Wien, 15. 06. 2018. Das Thema Naturgefahren wird für unsere Gesellschaft immer wichtiger. Die vielen Ereignisse der letzten Jahre bestätigen, dass auch Österreich von Extremwetterereignissen bzw. Naturkatastrophen nicht verschont bleibt. Hierzulande sind es vor allem Stürme, Hochwasser, Schnee und Hagel, Hitzewellen sowie Erdbebengefahren, die Präventivmaßnahmen immer wichtiger machen. „Die gesamtwirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen steigen weltweit. Im Jahr 2017 verursachten Naturkatastrophen Gesamtschäden von 340 Milliarden US-Dollar. Damit entstand im vorigen Jahr die zweithöchste Schadenssumme überhaupt. Das ist fast doppelt so viel wie im Vorjahr 2016 mit 175 Mrd. US-Dollar. Der Wert entspricht grob der Wirtschaftsleistung eines gesamten Jahres eines Landes wie Dänemark“, erläutert VVO-Präsident Vorstandsvorsitzender KR Mag. Dr. Othmar Ederer. Die weltweiten Ereignisse aus dem Jahr 2017 lassen den Trend in Österreich erkennen: auch hierzulande wird die Zahl der Extremwetterereignisse weiter steigen. „Schäden in Höhe von jährlich weit mehr als 200 Millionen Euro verursacht durch Naturkatastrophen sind möglich. Die ersten schweren Schäden 2018 gab es bereits im April. In Summe entstand ein Gesamtschaden in der Landwirtschaft in der Höhe von mehr als 2 Mio. Euro, primär bedingt durch Hagel und Überschwemmungen“, so Ederer.
KFV Studie: Psychische Folgen wiegen oft schwer
Eine aktuelle Studie des KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) zeigt nun erstmals auch die psychischen Folgen von Extremwetterereignissen in Österreich auf. „Naturkatastrophen haben unterschiedliche, mehr oder weniger starke Folgen für die Betroffenen und deren Angehörige“, erklärt Dr. Othmar Thann, Direktor des KFV. „Augenscheinlich sind natürlich materielle Schäden, welche durch Naturkatastrophen verursacht werden. Aber auch die immateriellen Beeinträchtigungen durch das Erlebte wiegen oft schwer.“ So schildern Betroffene das einprägende Gefühl der Ohnmacht und den Kontrollverlust („Du stehst da und weißt, du kannst nichts mehr machen.“) verbunden mit (Überlebens-)ängsten in der unmittelbaren Ereignissituation („Am ärgsten waren die Geräusche und der Geruch.“).
„Du stehst da und weißt, du kannst nichts mehr machen“
Für viele Betroffene bleibt nach dem Schockerlebnis des unmittelbaren Ereignisses ein großes Gefühl der Unsicherheit zurück. Auch langfristige psychische Folgen sind in Österreich nach Naturkatastrophen keine Seltenheit. So gab ein Großteil der bereits durch Extremwetterereignisse Betroffenen an, sich unmittelbar nach dem Ereignis in ihrer eigenen Umgebung nicht mehr sicher gefühlt zu haben. Dies äußerte sich darin, dass 40 Prozent der Betroffenen angaben, sich vor einer Wiederholung der Naturgewalt zu sorgen. 17 Prozent gaben an, seit dem Ereignis schreckhafter bzw. unsicherer zu sein, jeweils 6 Prozent der Befragten litten zumindest in der Zeit nach dem Erlebten unter Schlafstörungen. „Die psychischen Folgen von Extremwetter-ereignissen in Österreich umfassen nicht nur ein beeinträchtigtes Sicherheitsgefühl, sondern führen oft auch dazu, dass sich das Leben der Betroffenen schlagartig ändert. Überempfindlichkeit gegenüber Geräuschen, Angst z. B. vor der Natur und Schlafstörungen sind die noch häufig leichteren Probleme, mit denen Betroffene nach einem Ereignis konfrontiert sind“, erklärt Thann. Oftmals führt das Erlebte zu traumatischen Belastungen, die psychologisch behandelt werden müssen.
Gefahrenbewusstsein steigt
Die Studie zeigt auch, wer in den letzten zehn Jahren einmal selbst von einer Naturkatastrophe betroffen war, verfolgt das Thema aufmerksamer, zeigt sich informierter bzw. sucht aktiver nach Informationen und hat Präventivmaßnahmen getroffen. Vergleiche von Studien aus den letzten fünf Jahren zeigen ein tendenziell steigendes Gefahrenbewusstsein. Vor allem Unwetter, Hagel und Stürme sehen rund die Hälfte der Befragten als große Gefahr, während dies 2013 nur jeder vierte Befragte angab. Auch Hochwasser ist eine immer präsentere Naturgefahr für die Befragten – während sich 2013 mehr als die Hälfte gar nicht gefährdet durch Hochwasser sah, trifft dies 2018 nur auf rund ein Drittel der Befragten zu. „Gefahren werden in Österreich stärker wahrgenommen; auch die Vorsorgebereitschaft steigt an. Nach einem direkten Ereignis ist man natürlich immer klüger. Besser ist es, so gut wie möglich vorbereitet zu sein“, so Thann.
Bewusstsein für unmittelbare und langfristige Gefahren schärfen
Die Bevölkerung für Naturgefahren zu sensibilisieren, ist für
Dr. Michael Staudinger, Direktor der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, ein wichtiger Teil der Warn- und Präventionsarbeit: „Ein einfaches Beispiel, das im Sommer fast täglich vorkommt: Wenn wir eine Gewitterwarnung der niedrigsten Warnstufe ausgeben, hat das für jemanden daheim oder im Büro keine unmittelbare Relevanz. Wer aber an so einem Tag eine Bergtour macht, kann innerhalb kurzer Zeit in Lebensgefahr kommen. Wir versuchen daher mit sogenannten auswirkungs-orientierten Warnungen genau dieses Bewusstsein zu schärfen: Wen kann das bevorstehende extreme Wetterereignis in welcher Situation besonders betreffen.“
Langfristige Anpassungsstrategien betreffen alle
Ähnliches gilt für das Klimabewusstsein bei der langfristigen Planung von Schutzmaßnahmen. Je früher und intensiver sich alle Beteiligten mit möglichen Klimaänderungen auseinandersetzen, desto besser sind die Möglichkeiten, die Bevölkerung und die Infrastruktur in den nächsten Jahren zu schützen. „Wir arbeiten auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene mit vielen Regionen zusammen. Ziel ist, die Herausforderungen des Klimawandels genau zu definieren und effiziente Maßnahmen in Angriff zu nehmen. Viele direkte Schäden oder wirtschaftliche Probleme können durch geeignete Maßnahmen vermieden werden“, sagt ZAMG-Direktor Staudinger.
2018 brachte bereits zahlreiche Extremereignisse
Die Wettergefahren in Österreich variieren von Jahr zu Jahr und können sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Aber in jedem Jahr und zu jeder Jahreszeit kommt es zu markanten Schäden durch extremes Wetter. „Heuer unterstützt das seit April fast durchgehend sommerlich warme Wetter die Bildung von Gewittern mit Starkregen, was ungewöhnlich früh zu zahlreichen kleinräumigen Überschwemmungen führte“, erklärt Staudinger. „Zum Beispiel ging schon am 16. April in Graz ein Unwetter nieder, das selbst im Hochsommer außergewöhnlich wäre. In wenigen Stunden regnete es dabei in Graz doppelt so viel, wie in einem gesamten durchschnittlichen April. Auf den ersten Blick nicht so spektakulär sind die ständig wärmer werdenden Monate und Jahreszeiten. Aber auch das wirkt sich stark aus, etwa auf Pflanzen und Tiere und den Wasserkreislauf. Das Jahr 2018 liegt in der Zwischenbilanz gleich auf 2014 und 2015, den bisher wärmsten Jahren der österreichischen Messgeschichte.“
Einige Sicherheitstipps für den Ernstfall:
Mit gezielten Vorkehrungen soll sichergestellt werden, dass im Falle einer Naturkatastrophe die Grundversorgung der Hausbewohner für mindestens 10 Tage gewährleistet ist.
Vorausschauen
Informationen über die Gefahrenstufe des Wohngebietes einholen
wichtige Dokumente und eine Sicherungs-CD mit relevanten Daten gesammelt in einer Mappe verwahren
wichtige Telefonnummern auch handschriftlich notieren
Vorbereiten
Notgepäck
Reparaturwerkzeug
Alternativen zu Strom: Gas-Kocher, Petroleumofen, Batterieradio, Notbeleuchtung
warme Decken/Schlafsack
Vorräte anlegen (Angaben pro Person/Tag)
mind. 2,5 Liter reines Trinkwasser
1 kg Lebensmittel (Kohlenhydrate, Eiweiß und Fette)
trocken, kühl, dunkel und frostsicher lagern
Vorräte bedarfsorientiert ergänzen (z. B. Säuglinge, Kleinkinder, Diabetiker, etc.)
Brennmaterial
Hausapotheke
Richtig reagieren bei einem Zivilschutzalarm
Dauerton 3 Minuten = Warnung
Radio/TV einschalten, Nachbarn informieren, im Haus Schutz suchen, Anweisungen der Behörden beachten, nächste Schritte planen