Ob Fußgänger am Straßenrand, Radfahrer auf der Fahrbahn oder querende Wildtiere: Innovative Nachtsicht-Assistenten schaffen mit mehr Sicht am Steuer entscheidend mehr Sicherheit.
Mehr Sicht und Sicherheit bei Dunkelheit – das ist es, was wir in den nächsten Monaten im Straßenverkehr ganz besonders brauchen. Denn die dunkle Jahreszeit macht schwache VerkehrsteilnehmerInnen noch schwächer: Wer bei Regen, Nebel, Dämmerung oder Dunkelheit zu Fuß oder per Zweirad auf der Straße unterwegs ist, mutiert allzu oft zur unscheinbaren Schattenfigur.
Hohes Risiko: Im Dunkeln zu Fuß und per Rad unterwegs
Die KFV-Analyse der Unfalldaten 2017-2019 zeigt: Pro Jahr werden auf Österreichs Straßen durchschnittlich 1.170 FußgängerInnen bei Dämmerung oder Dunkelheit verletzt, das ist knapp jede/r dritte verletzte FußgängerIn (30 %). Besonders dramatisch: Mehr als die Hälfte (53 %) aller pro Jahr durchschnittlich 34 getöteten FußgängerInnen verunfallen bei Dämmerung oder Dunkelheit.
Auch RadfahrerInnen leben bei mangelhafter Sicht gefährlich: Durchschnittlich 1.181 RadfahrerInnen werden in Österreich pro Jahr bei Dämmerung oder Dunkelheit verletzt, durchschnittlich acht Menschen kommen unter diesen Bedingungen zu Tode.
KFV-Beobachtungen im November und Dezember 2019 zeigten: Lediglich ein Drittel (33 %) der beobachteten FußgängerInnen war kontrastreich gekleidet und somit gut sichtbar unterwegs, gar nur 11 % trugen Reflektoren an ihrer Kleidung. Immerhin 43 % der beobachteten RadfahrerInnen waren in puncto Outfit gut sichtbar unterwegs – aber immer noch nicht genug.
Nachtsicht-Assistent im Test
Unsichtbares muss also sichtbar werden: Moderne Fahrerassistenzsysteme machen’s möglich. Der Nachtsicht-Assistent bringt Licht ins Dunkel der Nacht und sieht, was der Mensch am Steuer nicht sieht: den dunkel gekleideten Fußgänger am Straßenrand, den Radfahrer auf der Fahrbahn, das querende Reh. Mittels Wärmebildkamera detektiert das revolutionäre Assistenzsystem Objekte im Straßenraum viel früher als das menschliche Auge. Dennoch ist Wachsamkeit gefragt: FahrerIn und Assistent als kongeniales Team für mehr Sicherheit.
Das KFV testete im Oktober 2020 den State of the Art in Sachen Nachtsicht-Assistent im Alltagseinsatz unter verschiedenen Licht- und Witterungsbedingungen. In Wien und Umgebung wurden Begegnungen mit FußgängerInnen, RadfahrerInnen und Tieren auf der Straße zu unterschiedlichen Tageszeiten aus authentischer LenkerInnensicht und auf dem digitalen Display dokumentiert.
Die Analyse dieser praktischen Erfahrungen zeigt: Diffuse Sicht, hohe Temperaturdifferenzen zwischen Lebewesen und Umgebung und mittlere bis weitere Distanzen zwischen Objekt und Fahrzeug liefern perfekte Bedingungen für Wärmebildsensoren und Warnsystem und somit ein großes Plus an Sicherheit. Wesentlich ist dennoch der Faktor Wachsamkeit am Steuer: Die aktive Mitwirkung der FahrerInnen ist und bleibt ein absolutes Muss. Zur Reduktion von Blickabwendungen ist daher die Nutzung von Head-up-Displays ideal.
Die Pluspunkte des Systems im Überblick:
- Im Freiland: Der optimale Einsatzbereich des Nachtsicht-Assistenzsystems liegt im Freiland, bei Dämmerung und Dunkelheit im Fahrbahnbereich in mittlerer und weiterer Entfernung des Fahrzeugs. Das noch weit entfernte Wildtier wird schon frühzeitig erkannt, FußgängerInnen und RadfahrerInnen werden auch ohne reflektierendes Outfit zu Lichtgestalten – zumindest am Display des Assistenzsystems.
- Im Ortsgebiet: Wo viele Menschen zu Fuß oder per Rad unterwegs sind und leicht übersehen werden können, steht der Assistent dem Fahrer hilfreich zur Seite.
- Stichwort Abendsport: Auch in dieser Situation zeigt das System seine Stärke. Sogar in Grau oder Schwarz gekleidete LäuferInnen, die im Kegel des Scheinwerferlichts oft verschwinden, zeigt der Nachtsicht-Assistent deutlich in Gelb auf Schwarz.
- Vergleichende Nachtsicht: Der Vergleich der Fahrersicht mit dem Nachtsicht-Display im Rahmen des System-Tests zeigt: Der Mensch am Steuer wird vom Assistenzsystem hilfreich unterstützt. Der Nachtsicht-Assistent erkennt einen Radfahrer am linken Fahrbahnrand und einen Fußgänger am rechten, während im Sichtfeld des Fahrers das unmittelbar voranfahrende Auto dominiert und die Wahrnehmung der Randbereiche massiv überlagert.
- Mehr Sicht auch bei Tag: Das System leistet aber auch bei Tag einen Beitrag zur besseren Erkennung von Mensch und Tier im Straßenraum, vor allem bei geringen Kontrasten, die das menschliche Auge nicht oder nur schwer differenzieren kann. Trübe Sicht war gestern: Assistent Adlerauge bringt starke Kontraste ins Straßenbild.
- Lebensretter: Der Einsatz des Nachtsicht-Assistenten könnte bei hundertprozentiger Durchdringungsquote allein in Österreich 14 Menschen pro Jahr das Leben retten und 360 Schwerverletzte vermeiden.
Fazit der ExpertInnen: Teamwork ist gefragt!
Tenor der KFV-ExpertInnen: Digitale Pkw-Assistenzsysteme von heute funktionieren bereits sehr gut und werden laufend weiterentwickelt. Perfektes Teamwork zwischen FahrerIn und Technik ist dennoch gefragt: Das System des Nachtsicht-Assistenten birgt hohes Sicherheitspotenzial, ersetzt aber nicht die Aufmerksamkeit des Menschen am Steuer.