Gehirnerschütterungen im Fußball deutlich häufiger als gedacht – KFV für Regeländerung und Kopfballtraining

155

Fußball zählt zu den Sportarten mit dem höchsten Verletzungsrisiko in Österreich. Um Unfällen besser vorbeugen zu können, hat das KFV eine Dunkelfeldstudie durchgeführt. Besonders auffallend ist die Zahl der Kopfverletzungen. Die Ergebnisse zeigen, dass 30 Prozent der befragten Spieler*innen im organisierten Fußball mutmaßlich eine Gehirnerschütterung erlitten. Das sind weitaus mehr als bisher dokumentiert.

Wien, 10. September 2024. Fußball ist nicht erst seit der hervorragenden Leistung des österreichischen Nationalteams bei der Europameisterschaft 2024 beliebt. Laut der Mitgliederstatistik von Sport-Austria waren im Jahr 2023 rund 297.000 Personen im organisierten Fußball registriert. Trotz vieler positiver Aspekte des Volkssports ist Fußball die Sportart mit dem höchsten Verletzungsrisiko. Laut der KFV-Unfalldatenbank IDB-Austria verunfallten 2023 rund 39.200 Personen in Österreich beim Fußball so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden mussten. Am häufigsten verletzten sich die Sportler*innen am Fuß (27%), am Knie (25%) und an der Hand (24%). Kopfverletzungen (2%), darunter rund 1 Prozent Gehirnerschütterungen, rangieren auf Platz neun der Liste. Die Ergebnisse der KFV-Dunkelfeldstudie legen allerdings nahe, dass Gehirnerschütterungen im Fußball häufiger auftreten, als in der KFV-Unfalldatenbank erfasst. In der Studie wurden Experteninterviews durchgeführt sowie 353 Spieler*innen im organisierten Fußball online zu ihren Verletzungen im Fußballsport befragt.

3 von 10 Befragte wiesen Symptome einer Gehirnerschütterung auf
Bei Gehirnerschütterungen ist die Symptomatik nicht so spezifisch, wie etwa bei Knochenbrüchen. Es ist daher davon auszugehen, dass in diesen konkreten Fällen seltener ein Krankenhaus aufgesucht wird, wodurch auch weniger Fälle in der KFV-Unfalldatenbank erfasst sind. „Die Umfrageergebnisse unserer Dunkelfeldstudie haben gezeigt, dass bei 30 Prozent der Spieler*innen im Jahr vor der Befragung mindestens 2 charakteristische Symptome einer Gehirnerschütterung nach einem Zusammenstoß vorlagen. Daraus ergibt sich ein 30-mal höher Prozentwert wie jener unserer Unfalldatenbank“, betont Dr. Johanna Trauner-Karner, Leiterin des Bereichs Sport- und Freizeitsicherheit im KFV. Diese Spieler*innen waren nicht in der Lage, das Spiel am selben Tag fortzusetzen und litten mindestens zwei Tage lang unter Beschwerden. Sie suchten dennoch kein Krankenhaus auf und gingen nicht davon aus, eine Gehirnerschütterung erlitten zu haben. Dabei bestünde ein begründeter Verdacht, dass die Diagnose zutreffen könnte.

„Die Umfrageergebnisse unserer Dunkelfeldstudie haben gezeigt, dass bei 30 Prozent der Spieler*innen im Jahr vor der Befragung mindestens 2 charakteristische Symptome einer Gehirnerschütterung nach einem Zusammenstoß vorlagen. Daraus ergibt sich ein 30-mal höher Prozentwert wie jener unserer Unfalldatenbank“, betont Dr. Johanna Trauner-Karner, Leiterin des Bereichs Sport- und Freizeitsicherheit im KFV.

Wenn Spieler*innen trotz Kopfverletzungen zu früh wieder in den Sport einsteigen, riskieren sie ein sogenanntes Second-Impact-Syndrome. Dieses tritt bei Personen auf, die ein erneutes Schädel-Hirn-Trauma erleiden, obwohl die Symptome eines vorangegangenen Schädel-Hirn-Traumas noch nicht abgeklungen sind. Damit würden die Folgen der zweiten Verletzung deutlich schwerwiegender ausfallen.

Zweikämpfe und Kopfballsituationen als größte Sicherheitsrisiken       
Aus Experteninterviews mit Trainer*innen, Sportmediziner*innen und medizinischen Betreuer*innen ging hervor, dass vor allem Zweikämpfe und chronische Überbelastungen die größten Verletzungsrisiken im Fußball bergen. Im Detail wurden das Ignorieren von Warnsignalen des Körpers und übertriebenes Training ohne ausreichende Erholung angeführt. Bei der Onlinebefragung gaben 85 Prozent der Fußballspielenden an, dass Kopfballsituationen das größte Unfallrisiko für sie darstellen, gefolgt vom Zweikampf (65%). Die Zahlen der IDB-Austria zeigen, dass Verletzungen im Fußball am häufigsten durch andere Personen oder den Naturrasen passieren.

Ansätze der Verletzungsprävention
Die Studie verdeutlicht, dass es mehr Aufklärung über teils unterschätzte Verletzungsrisiken braucht. Daraus resultiert ein dringender Handlungsbedarf: „Es ist notwendig neue Ansätze zur Risikominimierung im österreichischen Fußballsport zu entwickeln. Dazu zählen beispielsweise Regeländerungen und deren konsequente Einhaltung (Fair Play) sowie auch gezieltes Kopfballtraining durch geschulte Trainer*innen, damit die korrekte Technik erlernt bzw. auch ausgeführt wird“, so Dr. Trauner-Karner. Die Integration dieser Maßnahmen in die Trainer*innenausbilung und das Schulungsmaterial für Spieler*innen ist entscheidend für die Sicherheit im Fußballsport.

„Es ist notwendig neue Ansätze zur Risikominimierung im österreichischen Fußballsport zu entwickeln. Dazu zählen beispielsweise Regeländerungen und deren konsequente Einhaltung (Fair Play) sowie auch gezieltes Kopfballtraining durch geschulte Trainer*innen, damit die korrekte Technik erlernt bzw. auch ausgeführt wird“, so Dr. Trauner-Karner.

Ansätze zur Risikominimierung

  • Frühzeitige Technikschulung: Bereits ab der U9 (Fußballer*innen ab 8 Jahren) sollte das Kopfballtraining mit speziellen, leichteren Bällen beginnen, um die richtige Technik zu erlernen.
  • Altersgerechtes Krafttraining: Regelmäßiges Krafttraining zur Erhöhung der Belastungsverträglichkeit kann Verletzungen vorbeugen.
  • Regeländerung: Wechsel aufgrund von Verdacht auf Gehirnerschütterung sollten nicht als reguläre Wechsel gezählt werden. Dies setzt eine unabhängige ärztliche Untersuchung voraus.
  • Gezielte Aufklärung: Trainer*innen und Spieler*innen sollten regelmäßig geschult werden, um Symptome einer Gehirnerschütterung überhaupt erkennen zu können und in weiterer Folge richtig zu agieren.
  • Return-to-Play-Protokoll: Ein strukturiertes Protokoll zur sicheren Wiedereingliederung nach Gehirnerschütterungen ist unerlässlich.
  • Eltern einbeziehen: Eltern sollten in die Ausbildung und Aufklärung einbezogen werden, um die Gesundheit der jungen Spieler*innen zu schützen.

Presseaussendung.pdf