Ob Hochwasser, Tornados, Lawinen oder Muren: Naturkatastrophen werden mehr und mehr zu dramatischen Begleiterscheinungen dieses Jahrtausends. Rund um die Welt werden Wetterkapriolen häufiger und heftiger – auch in Österreich ist der Klimawandel spürbare Realität. Für Klein- und Mittelunternehmen stellen Naturgefahren oft existenzbedrohende Risiken dar. Umso wichtiger ist Prävention: Wie schützen sich Österreichs KMU vor Naturgewalten? Das KFV fragte nach.
Alles Gute kommt nicht immer von oben: Pro Jahr entsteht in Österreich durch Naturkatastrophen volkswirtschaftlicher Schaden im dreistelligen Millionenbereich: Im Jahr 2021 beliefen sich die versicherten Schäden auf mehr als 850 Millionen Euro. Eine satte Summe, die auch hierzulande die bereits enormen Auswirkungen von Naturgewalten widerspiegelt. Was bedeuten Naturkatastrophen für Österreichs zentralen Wirtschaftsfaktor Klein- und Mittelunternehmen? Das KFV nahm den Umgang von Österreichs KMU mit dem Risikofaktor Naturgefahren im Rahmen einer Studie näher unter die Lupe.
Wirtschaftsmotor versus Naturgewalten
Klein, aber oho: Klein- und Mittelunternehmen spielen in Österreichs Wirtschaft eine Hauptrolle. Beeindruckende 99,6 Prozent der österreichischen Wirtschaftsunternehmen sind KMU: 346.200 Unternehmen mit insgesamt 2,1 Millionen Mitarbeiter*innen – 67 % aller in Österreich Beschäftigten. Der Umsatz österreichischer KMU beläuft sich auf rund 515 Mrd. Euro pro Jahr – 63 % der Gesamtumsätze auf österreichischem Boden. Die Wertschöpfung von Österreichs KMU beträgt 135 Mrd. Euro – 60 % der gesamtösterreichischen Wertschöpfung. Wertvoller Wirtschaftsmotor, essenzielle Arbeitsplätze: KMU sind der Inbegriff von Österreichs Ökonomie. Umso wichtiger ist ihr Selbstschutz vor Naturgefahren, die im Worst Case alles Erreichte mit einem Schlag vernichten können. „Wie haben Sie’s mit der Prävention?“ Die Gretchenfrage in Sachen Naturkatastrophenschutz wurde vom KFV-Forschungsteam insgesamt 1.116 KMU-Vertreter*innen gestellt – deren Antworten liefern aufschlussreiche Erkenntnisse über das aktuelle Lagebild von Risiko und Vorsorge.
Gut gegen Starkwind? Die Ergebnisse der KFV-Studie
Am besten fühlen sich die Vertreter*innen der befragten KMU auf Blitzschlag vorbereitet: 64 % sehen sich sehr gut oder gut vorbereitet, gegen Starkregen sind 61 %, gegen Sturm 60 % der Befragten nach eigener Ansicht sehr gut oder gut gewappnet. Betreffend gravitative Naturgefahren wie Hangrutschungen, Muren oder Steinschlag (Mittelwert 42 %) besteht in Sachen Prävention jedoch noch vermehrter Handlungsbedarf. Vor Erdbeben sehen sich nur 35 % von Österreichs KMU gut genug geschützt. Höchste Wahrscheinlichkeit von Schäden und erforderlichen Betriebsunterbrechungen schreiben die befragten KMU-Repräsentant*innen Hagel (30 % „sehr wahrscheinlich“ oder „eher wahrscheinlich“) und Starkregen (29 %) zu, Hitzeperioden und Stürme werden zu jeweils 26 % befürchtet. Am wenigsten werden gravitative Naturgefahren (Rutschungen, Muren, Steinschlag – Mittelwert 8 %) und Lawinen (9 %) erwartet.
Je größer der Betrieb, desto besser der Schutz
Heimische Kleinstunternehmen sehen sich am schlechtesten auf die Abwehr von Naturgefahren vorbereitet, vor allem im Hinblick auf gravitative Risiken. Ein-Personen-Unternehmen fühlen sich wiederum besser gewappnet als größere Unternehmen. Die Sorge um mögliche Schadensfälle im eigenen Betrieb ist bei EPU-Inhaber*innen geringer als in Unternehmen mit mehreren Mitarbeiter*innen. Hoffnung auf Support von außen: Vor allem größere Unternehmen verlassen sich im Ernstfall auf die rasche Hilfe von Einsatzkräften und vertrauen darauf, dass die Standortgemeinde ihren Betrieb vor Naturgefahren schützt. In größeren Betrieben werden vermehrt aktive Präventionsmaßnahmen gesetzt.
Österreich sorgt vor – mit regionalen Unterschieden
In puncto Naturkatastrophenschutz zeigen sich in Österreich regionale Unterschiede. Hochwasser sind eher im Osten des Landes ein Thema, Lawinen naturgemäß eher im alpinen Westen. Die Wahrscheinlichkeit eines Extremereignisses mit notwendiger Betriebsunterbrechung wird aber in ganz Österreich etwa gleich hoch eingeschätzt. Die unbekannte Gefahr macht dabei mehr Sorgen als die bekannte: Rar gewordenes Schneechaos stellt im Osten des Landes eine größere Herausforderung dar als im traditionell schneereichen Westen. Hitze- und Dürreperioden werden wiederum in Zentral- und Westösterreich als problematischer eingeschätzt – obwohl das spezifische Risiko dort wesentlicher geringer ist.
Schutz vor Naturgefahren: Prävention braucht Information
Wissen ist Macht – und ein wertvoller Informationsvorsprung in lebensbedrohlichen Situationen. 18 % der befragten KMU holen Informationen über Naturgefahren bei der Standortgemeinde ein, weitere Infoquellen sind Versicherungen und das Internet. Mehr als die Hälfte der Befragten haben allerdings bislang noch keine Informationen über Naturgefahren recherchiert. 89 % der befragten Personen wurden von den konsultierten Informationsstellen ausreichend informiert, 64 % haben daraufhin vorbeugende Maßnahmen getroffen. Das Internet ist der häufigste Wetterberichtlieferant – 66 % aller Befragten informieren sich online über aktuelle Wetterwarnungen. In 29 % der untersuchten Betriebe führten akute Wetterwarnungen zu aktiven Schutzmaßnahmen. Die Implementierung standardisierter Abläufe für drohende Unwetter ist in Österreichs KMU aber noch Neuland – kein einziger der befragten Betriebe hat in dieser Hinsicht konkret vorgesorgt.
Fast jedes 5. KMU bereits vom Ernstfall betroffen
16 % der vom KFV befragten österreichischen Klein- und Mittelunternehmen erlitten im Jahr 2021 Schäden durch Naturgefahren. Mit zunehmender Betriebsgröße steigt die Schadenshöhe: Bei Österreichs mittleren Unternehmen weist die durchschnittliche Schadenshöhe bereits knapp 100.000 Euro auf. Die meisten verzeichneten Schäden betreffen Vertrieb (23 %), Lagerräume (20 %), Logistik (18 %), Produktion (14 %), Infrastruktur (13 %) und Fuhrpark (9 %). Mehr als zwei Drittel der vom KFV untersuchten KMU mussten nach dem Schadensfall eine mindestens eintägige Betriebsunterbrechung hinnehmen.
Versichern beruhigt – und macht vieles wieder gut. Die KFV-Umfrage zeigt: Mittlere Unternehmen sind öfter gegen Naturgefahren versichert als kleinere Betriebe. Am häufigsten sind Österreichs KMU gegen Sturm, Blitzschlag und Hagel versichert. Ein-Personen-Unternehmen sind seltener gegen Naturgefahren versichert. 90 % der betroffenen KMU wurde der Schaden vollständig oder zumindest teilweise von der Versicherung ersetzt.
KFV-Fazit: Vorsorge ist gut, aber noch nicht gut genug
Österreichs KMU zeigen sich generell proaktiv im Hinblick auf Naturkatastrophenschutz: Versicherungslösungen sind weit verbreitet, Informationen werden aktiv eingeholt, es besteht ein hohes Maß an Bereitschaft zur Eigenvorsorge. Unternehmen im Bereich der kritischen Infrastruktur sind in hohem Maße sensibilisiert und abgesichert. Intensivierte Bewusstseinsbildung ist dennoch gefragt, um die Vorsorgebereitschaft flächendeckend auf Touren zu bringen. Mehr Maßnahmen – mehr Sicherheit: Mit gezielter Prävention kann Schaden durch Naturgefahren vermindert oder gar vermieden werden.
Die Wichtigkeit der Prävention liegt auf der Hand. Der Klimawandel ist real – seine existenzbedrohenden Auswirkungen werden von Tag zu Tag realer. Akute Risiken sind starke Argumente für aktive Vorsorge: Sensibilisierung, Optimierung der Infrastruktur und die Festlegung von Standardprozeduren und Alarmierungsketten für den Ernstfall sind ein absolutes Muss – und zwar bevor eine Katastrophe eintritt.
KFV-Vorsorge-Tipps für KMU:
- Informieren Sie sich! Finden Sie heraus, welche regionalen Naturgefahren an Ihrem Betriebsstandort besonders gefährlich sind!
- Bleiben Sie am Ball! Verfolgen Sie laufend lokale Wetterberichte und Unwetterwarnungen!
- Überdenken Sie Ihre Zuliefer- und Vertriebsketten! Schaffen Sie Möglichkeiten, Ihren Betrieb auch in Extremsituationen aufrecht zu erhalten – falls ein Weiterbetrieb nicht realisierbar ist, sichern Sie sich gegen Betriebsausfälle ab!
- Handeln Sie im Ernstfall richtig! Erstellen Sie Notfallpläne, wie Sie sich und Ihre Mitarbeiter*innen bestmöglich schützen können!
- Entwickeln Sie Standardprozeduren für den Fall von (Un-)Wetterwarnungen und etablieren Sie Alarmierungsketten!
- Bleiben Sie auch in puncto Support realistisch! Je kleiner Ihr Unternehmen, desto weniger sollten Sie sich im Schadensfall auf Hilfszahlungen vonseiten des Bundes, Landes oder der Gemeinde verlassen.