KFV-Schwimmstudie: Jedes fünfte Kind ist potenziell ertrinkungsgefährdet

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Jedes fünfte Kind in Österreich würde, fiele es unvorhergesehen in ein Gewässer, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund mangelnder Schwimmkenntnisse ertrinken. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Studie der Unfallpräventionsinstitution KFV aus dem Bereich Sport- und Freizeitsicherheit.  Knapp 134.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 19 Jahren (10%) konnten somit im ersten Quartal 2024 nicht schwimmen, weitere 93.000 Kinder nur sehr schlecht. Die soziale Herkunft spielt dabei eine wichtige Rolle. Kinder, die nicht schwimmen können, stammen häufiger aus sozial schwächer gestellten Familien. Die Zahl der Nichtschwimmer über alle Altersgruppen bleibt konstant hoch. 670.000 Menschen können in Österreich nicht schwimmen. In den letzten 10 Jahren sind in Österreich insgesamt 387 Personen ertrunken, darunter 38 Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 19 Jahren. Das KFV fordert einmal mehr die bundesweite Umsetzung der im aktuellen Regierungsprogramm vorgesehenen Maßnahmen gegen Ertrinkungsunfälle – vor allem aber die flächendeckende Unterstützung von Bildungseinrichtungen bei der Umsetzung von geeigneten Schwimmkursen.

Wien, 20. Juni 2024. Mit jedem Grad an Temperaturanstieg zieht es immer mehr Menschen hinaus in die Freibäder und Badeseen. Zugleich war fast ein Viertel (24%) der österreichischen Bevölkerung ab 15 Jahren in den vergangenen zwölf Monaten überhaupt nicht schwimmen, wie eine aktuelle Forschungsarbeit des Bereichs Sport- und Freizeitsicherheit im KFV zeigt. Mit ein Grund dafür dürfte sein, dass ungewöhnlich viele Menschen in Österreich überhaupt nicht schwimmen können. Bereits unter den Kindern und Jugendlichen gibt es enorme Defizite, die dringend behoben werden müssten, wie die KFV-Studie zeigt.

670.000 Personen ohne Schwimmkenntnisse

Im Rahmen der KFV-Studie wurden mehr als 2.000 Interviews mit Personen ab 15 Jahren geführt und dabei auch Daten von 1.160 Kindern erhoben (Proxy-Interviews). Demnach können derzeit hochgerechnet auf ganz Österreich 134.000 Kinder und Jugendlichen im Alter von fünf bis 19 Jahren nicht schwimmen, was rund zehn Prozent dieser Altersgruppe entspricht. Hinzu kommen rund 93.000 Kinder und Jugendliche, die nur unsicher oder sehr unsicher schwimmen können. Ab fünf Jahren deshalb, weil das in der Regel das schwimmfähige Alter ist. Inklusive der Erwachsenen liegt der Anteil der Personen ab fünf Jahren, die nicht schwimmen können, bei acht Prozent, was mehr als 670.000 Menschen ohne Schwimmkenntnisse entspricht.

„Unsere Studie zeigt ganz klar, dass bei Menschen, die in prekären Einkommensverhältnissen leben, der Anteil an schlechten bis mittelmäßigen Schwimmern besonders hoch ist“

Dr. Johanna Trauner-Karner, Leiterin des Bereichs Freizeitsicherheit im KFV
Dr. Johanna Trauner-Karner, Leiterin des Bereichs Freizeitsicherheit im KFV

Andere Familienmitglieder gehen auch nicht schwimmen

Das soziale Umfeld spielt bei der Schwimmkompetenz der Kinder eine auffallend starke Rolle, wobei dabei auch das Engagement der Eltern von entscheidender Bedeutung ist: „63 Prozent aller Kinder, die über Schwimmkenntnisse verfügen, haben das Schwimmen von ihren Eltern gelernt. Unter jenen Kindern, die nicht oder nicht ausreichend schwimmen können, wurde zugleich am häufigsten als Grund dafür genannt, dass in ihren Familien nie Schwimmen gegangen wurde“, erklärt Dr. Johanna Trauner Karner, Leiterin des Bereichs Sport- und Freizeitsicherheit im KFV.

Finanziell schwache Personen sind auffallend häufig betroffen

Neben den Eltern spielen auch professionelle Schwimmkursen (41%) eine wichtige Rolle beim Erwerb von Schwimmkompetenzen (Mehrfachnennungen waren möglich), wobei private Kurse für finanziell schwache Haushalte oft eine Hürde darstellen. An dritter Stelle folgt der Schulsport, im Rahmen dessen 17 Prozent der Kinder ihre Schwimmkenntnisse erworben haben. „Unsere Studie zeigt ganz klar, dass bei Menschen, die in prekären Einkommensverhältnissen leben, der Anteil an schlechten bis mittelmäßigen Schwimmern besonders hoch ist. Um dieses Manko auszugleichen, fordern wir daher nach den Ausfällen in den Corona-Jahren eine weitere Intensivierung des Schwimmunterrichts in der Schule sowie den parallelen Ausbau von gefördertem Schwimmunterricht in der Freizeit“, so Trauner-Karner.

Bildungsgrad hat ebenfalls Auswirkungen auf die Schwimmkompetenz

Auch der Bildungsgrad spielt eine bedeutende Rolle. Unter den befragten Personen mit Matura haben die meisten das Schwimmen bereits im Alter zwischen vier und fünf Jahren gelernt. In der gleichen Altersgruppe ohne Matura haben die meisten hingegen den Zeitraum „mit 8 Jahren oder später“ angegeben. Zudem können nur fünf Prozent der Personen mit Matura gar nicht schwimmen, bei den Personen ohne Matura sind es in der gleichen Altersgruppe hingegen acht Prozent. Neben der Verbesserung der Schwimmkompetenzen rät das KFV aber auch Menschen mit guten Schwimmkenntnissen zur Vorsicht. „Um Müdigkeit oder Kreislaufproblemen im Wasser vorzubeugen, empfehlen wir das Mitführen von Schwimmbojen, insbesondere wenn jemand in einem See weit hinausschwimmt“, so die Sport- und Freizeitsicherheitsexpertin im KFV.

Grafik: Schwimmkompetent

Überdurchschnittlich viele Badeunfälle erwartet

Wie die Todesursachenstatistik der Statistik Austria zeigt, sind in den zehn Jahren von 2013 bis 2022 insgesamt 334 Wohnsitzinländer in Österreich ertrunken, darunter 31 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 19 Jahren. Hinzu kommen 53 Personen mit Wohnsitz im Ausland, die in Österreich bei Badeunfällen ums Leben gekommen sind. Darunter sieben Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 19 Jahren. In Summe sind also in zehn Jahren 387 Personen bei Badeunfällen in Österreich ertrunken, darunter 38 Kinder und Jugendliche (ohne Ertrinkungsunfälle in der Badewanne). Die Daten für 2023 wurden von der Statistik Austria noch nicht veröffentlicht. Wie laufende Beobachtungen des KFV anhand von Medienberichten über Badeunfälle aber zeigen, könnte es 2023 überdurchschnittlich viele Badeunfälle gegeben haben. Auch 2024 hat es bereits erste Badeunfälle gegeben, wobei das KFV insbesondere folgende Sicherheitsmaßnahmen empfiehlt.

KFV-Sicherheitstipps beim Schwimmen

  • Kleinkinder nie unbeaufsichtigt lassen: Kleinkinder müssen in der Nähe von Gewässern stets in unmittelbarer Reichweite bzw. Griffweite beaufsichtigt werden – größere Kinder in Sichtweite. Kaufen Sie Ihren Kindern gut sichtbare Badekleidung.
  • Überschätzen Sie nicht Ihre Schwimmkenntnisse: Legen Sie rechtzeitig Schwimmpausen ein und entfernen Sie sich nicht zu weit vom Ufer. Vor allem dann, wenn Sie allein unterwegs sind.
  • Erwerben Sie Selbstrettungskompetenz: Wie rettet man sich nach einem Sturz ins Wasser eigenständig ans Ufer? Wie kann man sich im Tiefwasser bei gefährlichen Situationen für eine gewisse Zeit über Wasser halten? All das und noch einiges mehr, lernt man in Selbstrettungskompetenz-Kursen.
  • Treffen Sie Sicherheitsvorkehrungen bei privaten Gewässern: Private Pools oder Biotope sollten umzäunt werden, damit sich Kinder nicht unbeaufsichtigt Zugang verschaffen.
  • Schwimmbojen mitnehmen: Müdigkeit und Erschöpfung können jeden treffen. Daher lohnt es sich eine Schwimmboje mitzuführen, vor allem dann, wenn man bei einem See weit hinausschwimmt. Bei Ermüdung oder Kreislaufproblemen kann man sich daran bis zum Eintreffen von Hilfe festhalten bzw. neue Kraft zu tanken, um danach selbständig ans Ufer zu schwimmen. Aber Achtung: Schwimmbojen dienen als Sicherheitsnetz und sind nicht als Schwimmhilfen für Menschen geeignet, die gar nicht schwimmen können.

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