Kontaktlose Start- und Schließsysteme sind modern und komfortabel – verfügen jedoch über Sicherheitslücken, die Fahrzeugdiebe gekonnt zu Nutzen wissen. Dennoch schätzt die Mehrheit der Nutzer die Technologie als sicher ein und trifft keinerlei Schutzmaßnahmen, so die Ergebnisse einer aktuellen Befragung des KFV. Laut polizeilicher Kriminalstatistik wurden insgesamt 2.194 Kraftfahrzeuge im Jahr 2019 als gestohlen gemeldet.
Wien, 07. Juli 2020. Digitalisierung ist längst eine fixe Größe der Automobilbranche – und moderne Technologien sind aus unseren Fahrzeugen nicht mehr wegzudenken. Für den Nutzer mit einem Mehr an Sicherheit, Fahrspaß und Komfort verbunden, birgt die zunehmende Digitalisierung jedoch auch Risiken in Bezug auf die Einbruchs- und Diebstahlsicherheit.
Diebstahl auf Distanz
So sind moderne Fahrzeuge oft mit sogenannten Keyless Entry Systemen ausgestattet – Technologien, die ein schlüsselloses, automatisches Öffnen und Starten ermöglichen. Die Keyless Technik ist jedoch auch anfällig für Diebstähle. „Die zentrale Sicherheitslücke ist das Signal, mit dem der Transponder mit dem Fahrzeug kommuniziert. Dieses kann mit Hilfe eines in die Nähe des Schlüssels gebrachten Signalverstärkers vervielfacht und seine Reichweite auf mehrere hundert Meter ausgedehnt werden. Dieben ist es so beispielsweise möglich, ein Auto zu knacken, während der Besitzer nichtsahnend zu Hause fernsieht oder in einem Restaurant zu Abend isst“, so Dr. Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Eigentumsschutz im KFV.
Bekanntheitsgrad hoch – Misstrauen unter den Nutzern gering
Wie eine repräsentative Umfrage des KFV unter 1.000 Fahrzeugnutzern ergeben hat, ist der Bekanntheitsgrad von Keyless Entry Systemen hoch: 91 Prozent aller Befragten gaben an, die Technologie zu kennen, davon hatten 61 Prozent bereits selbst praktische Erfahrungen damit gesammelt. Die überwiegende Mehrheit von ihnen ist von der Sicherheit der schlüssellosen Zugangssysteme überzeugt: Lediglich 20 Prozent der befragten Nutzer äußerten Sicherheitsbedenken. Dementsprechend gering ist mit 22 Prozent daher auch die Anzahl jener Nutzer, die Vorkehrungen gegen einen möglichen Missbrauch trifft – beispielsweise, indem sie den Schlüssel in möglichst großer Entfernung zum Fahrzeug aufbewahren (56 Prozent) oder die von Experten empfohlenen Sicherheitsboxen nutzen (37 Prozent). „Die Mehrzahl der Nutzer ist sich der Risiken der Keyless Technologie nicht bewusst – hier besteht noch großer Aufholbedarf, insbesondere weil in Zukunft mit einer Verschärfung der Problematik zu rechnen ist, da zunehmend mehr Fahrzeuge – auch Kleinwägen – serienmäßig mit schlüssellosen Systemen ausgestattet sind“, so Kaltenegger.
Verbesserung der Produktsicherheit erforderlich
Die Studienergebnisse haben gezeigt, dass die schlüssellosen Zugangssysteme einerseits erhebliche Sicherheitslücken aufweisen und andererseits vom durchschnittlichen User nicht erwartet werden darf, diese Gefahren zu erkennen. Deshalb wäre eine deutliche Verbesserung der Produktsicherheit erforderlich“, so Kaltenegger. Hersteller und Händler müssen über die Gefahren des Missbrauchs deutlich aufklären und entweder auf sicherere Technologien umsteigen oder sichere Aufbewahrungsmöglichkeiten mit dem Artikel gemeinsam aushändigen, so das KFV.
Fortschreitende Entwicklungen stellt Polizei laufend vor komplexe Herausforderungen
Durch die fortschreitende Entwicklung von Kommunikationsschnittstellen, Datenspeichern und IT- Systemen in modernen Kraftfahrzeugen wird die Polizei ständig vor neue Herausforderungen und Aufgaben gestellt. Die forensische Untersuchung von IT-Systemen und Datenspeichern in Kraftfahrzeugen zählt daher zu den zentralen Aufgaben des Cybercrime Competence Centers (C4) im Bundeskriminalamt. Seit zehn Jahren ist auch die Sonderkommission zur Bekämpfung von Fahrzeugdiebstählen in Österreich im Einsatz. Hauptaufgabe des kriminalpolizeilichen Teams ist das Ausforschen von Autodieben mit nationalem und internationalem Bezug. Besonderes Augenmerk wird aber nicht nur auf die Festnahme der Verdächtigen, sondern auch auf die Zerschlagung ganzer Täterstrukturen gelegt.
Die Täter suchen bei jedem neuen System oder neuen Komfortlösungen nach Schwachstellen, um diese aushebeln zu können, so auch bei den Keyless Entry Systemen. Mit einem so genannten Funkstrecken-Verlängerer können die Diebe dem Auto vorgaukeln, dass der Schlüssel in der Nähe ist, die Türen öffnen, einfach einsteigen und wegfahren. Am Fahrzeug bleiben dann nicht einmal Aufbruchspuren. Die Fahrzeugbesitzerin beziehungsweise der Fahrzeugbesitzer selbst sollte sich dessen bewusst sein und entsprechend sorgsam mit dem Schlüssel umgehen.
Tipps zum Umgang mit Keyless Entry Systemen
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Der Schlüssel sollte nicht an den Außenseiten des Hauses und vor allem nicht im Vorzimmer in der Nähe von Haus- oder Wohnungstür beziehungsweise Fenster abgelegt werden.
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Sie können das Funksignal durch geeignete Maßnahmen (z. B. Aluminiumhüllen oder Blechdose) versuchen abzuschirmen. Testen Sie unbedingt vorab, ob die Schutzhülle wirkt, in dem Sie sich mit Ihrem abgeschirmten Schlüssel direkt neben Ihr Auto stellen. Das Fahrzeug sollte sich nicht wie gewohnt öffnen lassen.
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Achten Sie beim Verlassen Ihres Wagens auf Ihr Umfeld und insbesondere auf Personen mit Aktenkoffern, Umhängetaschen oder Rucksäcken, die in Ihrer unmittelbaren Nähe warten.
Ein Diebstahl – nicht nur bei Kfz mit Keyless Entry Systemen, sondern auch allgemein – kann den Tätern mit folgenden technischen Lösungen deutlich erschwert beziehungsweise die Fahndungsarbeit der Polizei erleichtert werden:
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Lassen Sie sich einen Zündunterbrecher in Form eines versteckten Schalters zur 2-Faktor-Identifizierung in Ihrem Kfz einbauen.
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Verlegen Sie den On-Board-Diagnose Stecker in Ihrem Kfz. Die On-Board-Diagnose, kurz OBD, ist ein Diagnosesystem in Fahrzeugen. Das System überwacht das Auto und kann der Fahrerin oder dem Fahrer beziehungsweise der Werkstatt Fehlermeldungen und Daten zugänglich machen. Das nutzen aber auch Täter aus, die somit Zugriff auf die Elektronik des Kfz haben und so in nur wenigen Sekunden einen neuen Schlüssel anfertigen lassen können.
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Lassen Sie sich ein GPS-Ortungssystem in Ihr Kfz einbauen. So haben Sie Ihr Auto immer im Blick. Zudem hilft es der Polizei für Fahndungszwecke.
Diebstahl von Kraftahrzeugen in Österreich
Die Zahl der Anzeigen wegen Diebstahls von Kfz sind rückläufig: 2019 sind die Meldungen um 1,3 Prozent gegenüber 2018 gesunken (2019: 2.194 Anzeigen, 2018: 2.224 Anzeigen). Vor zehn Jahren wurden noch doppelt so viele Kfz als gestohlen gemeldet (2010: 4.402 Anzeigen).
Allgemeine Präventionstipps
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Parken Sie nach Möglichkeit Ihr Kfz in einer Garage. Wenn dies nicht möglich ist, variieren Sie Ihre Parkplätze.
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Versperren Sie Ihr Fahrzeug immer, selbst wenn Sie nur ganz kurz weg sind.
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Schließen Sie die Fenster und ein eventuell vorhandenes Verdeck oder Schiebedach komplett.
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Vergewissern Sie sich, dass Ihr Auto versperrt ist, wenn Sie eine Fernbedienung zum Absperren verwenden und keine verdächtige Person in Ihrem Umkreis steht.
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Die Reichweite eines Keyless-Go-Schlüssels kann elektronisch verlängert werden. Verwahren Sie diesen deshalb nicht in unmittelbarer Nähe der Haus- oder Wohnungseingangstüre. Eine „Faraday-Box“ kann den Schlüssel zusätzlich vor Funkwellen schützen.
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Kontrollieren Sie regelmäßig die mechanische Funktionstüchtigkeit der Schlösser.
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Verwahren Sie Wertgegenstände nicht im Auto. Lassen Sie auch keine Navigationsgeräte oder Radiobedienteile zurück, wenn es sich nicht um fest verbaute Komponenten handelt.
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Durch den fachgerechten Einbau einer Alarmanlage kann das Risiko, Opfer eines Einbruchs oder Diebstahls zu werden, minimiert werden.
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Man kann die Stromzufuhr von der Zündung mit einem nachträglich eingebauten Schalter unterbrechen, sodass der Täter das Auto nicht in Betrieb nehmen kann. Der Schalter sollte versteckt eingebaut sein.
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Es gibt verschiedene mechanische Sicherungen wie Sperrstöcke oder Sperrstangen, mit denen man verschiedene Bedienteile des Autos sichern kann.
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GPS-Ortungs-Systeme ermöglichen Ihnen jederzeit den Standort des Fahrzeuges herauszufinden. App-Lösungen bieten die Möglichkeit der sofortigen Verständigung im Falle einer unbefugten Inbetriebnahme.