Fast dreimal so hohes Todesrisiko beim E-Bike: Das sind die häufigsten Probleme beim Umgewöhnen vom Fahrrad

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Im Vorjahr sind 40 Radfahrende tödlich verunglückt – exakt 20 davon mit E-Bikes und 20 mit herkömmlichen Fahrrädern. Vergleicht man hingegen die Fahrleistung der Bevölkerung ab 6 Jahren, so wird eine klare Mehrheit der Radstrecken noch immer mit reiner Muskelkraft zurückgelegt. Bezogen auf die gefahrenen Kilometer ergibt sich für E-Bike-Fahrende ein fast dreimal so hohes Risiko tödlich zu verunfallen. Das KFV erklärt, wo beim Umgewöhnen von Fahrrädern auf E-Bikes die häufigsten Probleme liegen und fordert eine Helmpflicht.

Wien, 12. Juni 2023. Radfahren schont die Umwelt und verbessert die Fitness. Ungefährlich ist es aber nicht, denn im Vorjahr verunglückten mehr als zehn Prozent aller Verkehrstoten mit dem Rad. Exakt die Hälfte der insgesamt 40 Fahrradtoten entfällt auf E-Bikes, die andere Hälfte auf herkömmliche Fahrräder. Wie eine Umfrage im Auftrag des KFV („KFV-Exposure“) zeigt, fahren in Österreich 680.000 Personen ab 6 Jahren wöchentlich mit dem E-Bike – Tendenz steigend. Trotzdem ist das noch immer weniger als ein Drittel der rund 2,3 Millionen Menschen, die wöchentlich herkömmliche Fahrräder nutzen. Allerdings sollte man auch berücksichtigen, dass mit dem E-Bike mehr Kilometer zurückgelegt werden als mit dem Fahrrad. Herkömmliche Fahrräder werden oft nur gelegentlich genutzt, während mit E-Bikes längere Strecken gefahren werden. Bezogen auf die gefahrenen Kilometer errechnet sich für E-Bike-Fahrende dadurch ein fast dreimal so hohes Risiko tödlich zu verunfallen.

Zwei Drittel der Getöteten sind 65 Jahre oder älter

Eine besonders gefährdete Personengruppe auf E-Bikes sind ältere Menschen. Unter den Verletzten der vergangenen Jahre war fast jeder Dritte 65 Jahre alt oder noch älter. Unter den Getöteten waren sogar zwei Drittel 65 Jahre alt oder noch älter. Bei E-Bike-Fahrenden nimmt also die Verletzungsschwere mit dem Alter zu. Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) warnt davor, die Gefahren zu unterschätzen: „E-Bikes sind zwar bequemer, aber die elektrische Tretunterstützung verleitet leider auch zu schnellerem Fahrverhalten.“ Bei einer vom KFV durchgeführten Testfahrt wählten die Probanden mit Fahrrädern eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 18 km/h, mit Pedelecs (E-Bikes) fuhren sie aber im Schnitt 21 km/h.

Grafik_E-Bike

Hohes Gewicht von E-Bikes bereitet häufig Probleme

Beim Umstieg von herkömmlichen Fahrrädern auf E-Bikes kann es zu einer Reihe von Problemen kommen, wie aus einer vom KFV beauftragten aktuellen Studie hervorgeht, die 2022 unter 1.676 E-Bike-Fahrenden durchgeführt wurde. Die mit Abstand meisten (58%) hatten Schwierigkeiten mit dem höheren Gewicht, gefolgt vom unterschiedlichen Bremsverhalten (27%), der Bedienung des Displays (26%), der höheren Geschwindigkeit (26%), dem Losfahren (23%), der geringeren Wendigkeit (19%) oder bei der Beschleunigung (18%). KFV-Verkehrssicherheitsexpertin Mag. (FH) Ernestine Mayer appelliert daher: „Übung macht den Meister und Wissen über die Herausforderungen erhöht die Sicherheit. E-Bike-Fahrsicherheitskurse auf freiwilliger Basis – insbesondere für ältere Personen – können Leben retten und unzählige Stürze sowie die damit einhergehenden Verletzungen oder gar Invaliditätsfälle vermeiden.“

Zu den Hauptunfallursachen von Kollisionen mit E-Bikes (Vierjahresdurchschnitt) zählen Vorrangverletzung/Rotlichtmissachtung (43%), Unachtsamkeit/Ablenkung (20%) und Missachtung von Ge- oder Verboten (13%). Im Jahr 2022 waren laut Statistik Austria bereits 33% aller verletzten Radfahrenden mit einem E-Bike unterwegs. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 lag dieser Wert noch bei 18%. Allerdings ist bei Radfahrunfällen die Dunkelziffer generell hoch, weil oft Alleinunfälle (z.B. Sturz aufgrund hoher Geschwindigkeit oder rutschiger Fahrbahn) vorliegen und viele Verletzte in der offiziellen Verkehrsunfallstatistik gar nicht aufscheinen. Laut Hochrechnung von KFV-Erhebungen in ausgewählten Krankenhäusern im Rahmen der IDB-Austria werden im Schnitt pro Jahr rund 10.000 Personen beim E-Bike-Fahren so schwer verletzt, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen.

„Vielfach bedarf es vermutlich nur eines kleinen Motivationsschubs zum tragen eines Helms, denn bereits jetzt ist vielen E-Bike-Nutzern die erhöhte Gefahr offenbar durchaus bewusst.

Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit © KFV

Aufgrund der hohen Verletzungsschwere fordert das KFV eine Helmpflicht für E-Bike- sowie auch für E-Scooter-Fahrende. Weiters braucht es eine verstärkte Bewusstseinsbildung, damit die Helme dann auch tatsächlich und mit voller Überzeugung von allen getragen werden. „Vielfach bedarf es vermutlich nur eines kleinen Motivationsschubs, denn bereits jetzt ist vielen E-Bike-Nutzern die erhöhte Gefahr offenbar durchaus bewusst, wie Erhebungen des KFV zeigen. Demnach liegt die Helmtragequote bei Fahrrädern erst bei 41%, bei E-Bikes aber schon bei 62%“, erläutert Dipl.-Ing. Klaus Robatsch. Ein um das 11-fache erhöhtes Risiko einer Schädel-/Hirnverletzung gegenüber den Helmträgern ist jedenfalls ein sehr gewichtiges Argument, dass tatsächlich jeder einzelne einen Helm aufsetzt. Bei E-Bikes sollte dies aufgrund der größeren Gefahr sogar verpflichtend vorgeschrieben werden.

Forderungen des KFV

Aufgrund des hohen Unfallrisikos und der hohen Verletzungsschwere fordert das KFV unterschiedliche Präventionsmaßnahmen:

  • Helmpflicht für E-Bike- und E-Scooter-Fahrende.
  • Bewusstseinsbildungsmaßnahmen zum Tragen eines Helmes, zur Teilnahme an freiwilligen E-Bike-Fahrsicherheitskursen, zum langsamen Annähern an Kreuzungen oder auch zum richtigen Verhalten bei Grundstücksausfahrten.
  • Rasche Umsetzung der neuen RVS „Radverkehr“ und damit mehr Platz für Radfahrende und ausreichend breite Radfahranlagen. Sprich: Weg von „Mickey-Mouse-Radwegen“ hin zu „Obelix-Radboulevards“. Eigene Radinfrastruktur in Bereichen schaffen, in denen andere Verkehrsteilnehmer mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind (50 km/h und mehr) oder wo viel Verkehrsaufkommen herrscht. Im Mischverkehr mit Radfahrenden sollten maximal 30 km/h erlaubt sein.

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