Fast 48 Prozent der Staatsfläche Österreichs ist mit Wald bedeckt – das sind mehr als 4 Millionen Hektar. Ein Teil davon wird von den unterschiedlichsten Gruppen gemeinsam genutzt (Wanderer, Mountainbiker, Jäger, Förster, Grundeigentümer, Holzwirtschaftsbetriebe, Tourismusunternehmen…). Dies führt nicht selten zu Interessenskonflikten und Streit. Ein friedliches Miteinander ist zwar möglich, dazu sollte aber bei allen Teilnehmern der gleiche Wissensstand vorliegen. Dr. Armin Kaltenegger, Leiter des Bereichs Recht- und Normen im KFV, beantwortet häufige Fragen und enttarnt hartnäckige Mythen.
Rechtliche Tipps für Wanderer und Mountainbiker
Darf ich mit dem Mountainbike auf Wanderwegen fahren?
Grundsätzlich nicht, außer der Weg ist als „Shared Trail“ (gemeinsame Nutzung mit Wanderern) oder als „Trail“ bzw. Mountainbikestrecke durch entsprechende Beschilderung ausgewiesen.
Welche Verhaltensregeln gelten auf „Shared Trails”? Müssen dort zum Beispiel die Wanderer links gehen („links gehen, Gefahr sehen“) und die Mountainbiker rechts fahren?
Auf „Shared Trails“ gilt ein gegenseitiges Rücksichtnahmegebot. Konkrete Regeln, wer welche Seite des Wegs benützt oder wohin ausweicht, gibt es nicht. Für Mountainbiker gilt der Ehrenkodex, dass sie Wanderern oder Reitern grundsätzlich den Vorrang einräumen, die Geschwindigkeit reduzieren und falls nötig auch anhalten, um gefahrloses Passieren zu gewährleisten. Zudem sollten sie ausreichend Seitenabstand einhalten. Ein gegenseitiger höflicher Gruß ist natürlich auch niemals verkehrt.
Wo darf ich im Wald generell mit dem Rad fahren?
Im Wald gilt ein freies Betretungsrecht für zu Fuß Gehende und ein generelles Fahrverbot. Nur dort, wo es ausdrücklich erlaubt ist, darf man mit dem Rad fahren, also in der Regel auf ausgewiesenen Mountainbikestrecken.
Gilt auf Forststraßen die Straßenverkehrsordnung (StVO)? Das heißt, rechts fahren, Handzeichen geben …
Laut Gesetz und auch Judikatur gilt auch auf Forststraßen die StVO. Allerdings nur in abgeschwächter Form. Elementare Regeln wie Fahren auf Sicht, Abstand halten, Rechtsfahrordnung und dergleichen gelten jedenfalls. Ordnungsvorschriften wie das Aufstellen von Verkehrszeichen oder bestimmte Halte- und Parkverbote sind aber nicht anwendbar.
Ist auf Forststraßen auch das Schieben von Rädern verboten?
Das Rad fahren ist auf Forststraßen verboten, außer es ist durch Hinweiszeichen erlaubt. Wer aber ein Rad schiebt, gilt als Fußgänger. Und Fußgänger dürfen sich im Wald frei bewegen.
Wenn ich das Schild „Weiterfahrt auf eigene Gefahr“ ignoriere, bin ich dann tatsächlich für alle Gefahren selbst verantwortlich?
Tendenziell eher nicht. Dieses Schild kann Haftungsregeln, die im Gesetz stehen, nicht übertrumpfen. Es kann höchstens ein Hinweis darauf sein, dass hier keine Haftung aufgrund gesetzlicher Vorschriften besteht, aber dann schafft das Schild keine neue Rechtslage. Wenn also der frei herumlaufende Hund des Grundstücksbesitzers einen Mountainbiker ins Bein beißt, haftet der Besitzer trotz des Schildes.
Kommt es beim Mountainbiking häufig zu Kopfverletzungen?
Mountainbiken ist keine ungefährliche Sportart, weshalb wir eine Schutzausrüstung dringend empfehlen. Dank der hohen Helmtragequoten von rund 95 Prozent sind Kopfverletzungen aber zum Glück selten geworden. Sie rangieren derzeit nicht einmal unter den Top 10 der häufigsten Verletzungen. Fast ein Viertel der Verletzungen betreffen den Schultergürtel. Die Sportart mit den meisten Unfällen ist übrigens Fußball.
Im Wald gilt ein freies Betretungsrecht für zu Fuß Gehende und ein generelles Fahrverbot. Nur dort, wo es ausdrücklich erlaubt ist, darf man mit dem Rad fahren, also in der Regel auf ausgewiesenen Mountainbikestrecken.
Rechtliche Tipps für Grundeigentümer und andere wirtschaftliche Waldnutzer
Haftet bei einem Unfall wirklich immer der Grundeigentümer?
Eigentlich haftet der Grundeigentümer nahezu nie. Primär haften Mountainbiker selbst. In Ausnahmefällen, wenn durch grobe Fahrlässigkeit eine atypische Gefahr geschaffen wurde, kann der Wegehalter haften (also derjenige, der sich um den Weg kümmert, das ist bei Mountainbikestrecken sehr oft nicht der Eigentümer). Gerichte tendieren dazu, Mountainbiker an ihre Selbstverantwortung beim Befahren des Waldes zu erinnern.
Welche Auswirkungen hat das „Kuh-Urteil“ auf andere Bauern (Anm.: Der Oberste Gerichtshof hatte im Zuge einer tödlichen Kuhattacke in Tirol im Jahr 2014 im Mai 2020 die Teilschuld eines Landwirtes und der attackierten Hundehalterin bestätigt)?
Das Urteil hat eine sehr geringe Auswirkung. Dieser Vorfall hat nicht unter den typischen Umständen stattgefunden, die beim Mountainbiken für gewöhnlich vorliegen und ist daher auf klassische Situationen kaum übertragbar. Der Unfall war zwar sehr medienwirksam, die gerichtliche Aufarbeitung hat aber gezeigt, dass davon nicht viele Landwirte betroffen sind.
Darf ein Grundeigentümer, Jäger oder Förster einen Mountainbiker aufhalten? Vielleicht sogar mittels physischer Gewalt oder Waffe?
Hier ist zu differenzieren:
- Grundeigentümer dürfen nur im Rahmen des aus dem Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) stammenden „Selbsthilferechts“ Widerstand gegen Mountainbiker leisten. Waffengewalt wird jedenfalls nicht zulässig sein, sonstige Gewalt wohl nur in seltensten Ausnahmefällen. Der Schutz des eigenen Eigentums muss nämlich angemessen im Hinblick auf die Beeinträchtigung erfolgen.
- Beeidete Jagdschutzorgane dürfen nur bei Eingriffen in fremde Jagdrechte tätig werden, was bei Mountainbikern wohl nicht der Fall sein wird.
- Beeidete Forstschutzorgane hingegen sind berechtigt in angemessener Art und Weise die Identität von Personen, die Forstrecht verletzen, festzustellen und dafür in Ausnahmefällen sogar eine Festnahme vorzunehmen. Der Einsatz einer Waffe wäre wohl theoretisch denkbar, wird aber aufgrund der Angemessenheit wieder ausscheiden.
- Sonstige Waldbenutzer, wie Wanderer, Jäger, Waldarbeiter oder Forstorgane (die nicht auch Forstschutzorgan sind) haben all die obengenannten Rechte nicht.
Wenn ich als Wegehalter Benützungsentgelt von Bikern verlange, ist meine Haftung dann strenger?
Ja, denn grundsätzlich haften Erhalter von Wegen nur für grobe Fahrlässigkeit; wird aber ein Entgelt verlangt (z. B. in Bikeparks), dann wird schon für leichte Fahrlässigkeit gehaftet. Primär bleibt aber der Sportausübende selbst für sein Verhalten verantwortlich.
Wenn ich als Grundeigentümer das Mountainbiken erlaube, gilt dadurch auf der Forststraße plötzlich die Straßenverkehrsordnung (StVO) und ich kann Schwierigkeiten bekommen?
Die Angst mancher Grundeigentümer, dass mit der Erlaubnis des Mountainbikens auf ihrer Forststraße dann auch die StVO gilt und damit neue aufwändige Regeln, wie etwa Kennzeichnungspflicht von Hindernissen, Beleuchtung bestimmter Straßenstellen usw., ist deshalb unbegründet, weil die StVO auf Forststraßen sowieso immer gilt, aber nur eingeschränkt anzuwenden ist.
Darf ich Videoüberwachung auf meinen Wegen anbringen, um mein Eigentum zu überwachen?
Eigentumsschutz rechtfertigt nicht alle Arten und Methoden der Überwachung. Sofern nicht sichergestellt ist, dass durch die Überwachung unbeteiligte Dritte aufgenommen werden, ist eine Überwachung verboten, auch wenn sie angekündigt wird. Als Schutz vor dem unberechtigten Benutzen z. B. einer Forststraße ist Videoüberwachung ein ungeeignetes Mittel, denn sie wird auch alle (legalen) Wanderer aufnehmen und diese damit ohne Rechtfertigung in deren Grundrecht auf Datenschutz verletzen. Damit macht sich der Verantwortliche strafbar und zivilrechtlich angreifbar.
Factsheet Mountainbike-Unfälle 2022 pdf.