Ein Vorzeigemodell: 10 Jahre Mehrphasenausbildung für junge Autofahrer

718

Wien, 15.01. 2013. Die Erfahrung ist klein, die Selbstüberschätzung groß – jugendliche Pkw-Fahranfänger stechen seit Jahrzehnten in den Verkehrsunfallstatistiken national wie international als Sorgenkinder hervor. Sie haben ein deutlich höheres Unfallrisiko und sind überproportional unter den Unfallverursachern vertreten. Auch wenn die jungen Lenker es oft anders sehen: Nach einigen Wochen Fahrpraxis sind sie noch keine Könner und so führen eklatante Fehleinschätzungen zum Abkommen von der Fahrbahn, Crashs in schnellen Kurven und den berüchtigten Disco-Unfällen, der tödlichen Mischung aus Alkohol und nicht angepasster Geschwindigkeit. Österreich geht mit der zweiten Ausbildungsphase (Mehrphasenausbildung) seit 2003 einen vielbeachteten Weg in der Verkehrssicherheitsarbeit für junge Verkehrsteilnehmer, der zum Vorbild für Maßnahmen in anderen Ländern geworden ist. Das Prinzip ist einfach: Nach Erteilung der Lenkberechtigung müssen innerhalb eines Jahres drei weitere Fortbildungen absolviert werden. Bei zwei Perfektionsfahrten (L17: eine Perfektionsfahrt), einem Fahrsicherheitstraining und einem verkehrspsychologischen Gruppengespräch bekommen die Fahranfänger – prüfungsfrei – Feedback zu ihrem Können als Autolenker und einen neutralen Blick auf ihr Risikoverhalten. „Trotz beeindruckender Ergebnisse sind wir aber noch nicht am Ziel“, betont Dr. Othmar Thann, Direktor des KFV. „Auch nach zehn Jahren Mehrphasenausbildung sind junge Lenker überproportional häufig an Unfällen mit Personenschaden beteiligt. Wir sehen, dass das Prinzip der zweiten Ausbildungsphase Früchte trägt und ein erster Schritt in Richtung eines lebensbegleitenden Lernprozesses ist, aber nach oben gibt es noch viel Luft. Es wird Zeit für eine Anpassung und Modernisierung“, so Thann.

Mehrphasenausbildung hat unzählige Leben gerettet. Rückgang bei jungen Lenkern stärker als der Trend

Dass die zweite Ausbildungsphase kein Experiment mehr ist, sondern eine gesicherte Methode zur Reduktion des Fahranfängerrisikos, lässt sich am deutlichsten mit den Zahlen der letzten zehn Jahre beschreiben, die das KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) ausgewertet hat. 2003 verunglückten noch 8.476 Pkw-LenkerInnen zwischen 17 und 25 Jahren bei Verkehrsunfällen, 2011 waren es 5.411. Anders ausgedrückt: Die Anzahl verunglückter Fahranfänger ist um 36 Prozent zurückgegangen, während bei Lenkern über 25 Jahre ein Rückgang von „nur“ 24 Prozent zu verzeichnen war. Um mehr als die Hälfte hat sich in diesem Zeitraum die Zahl der getöteten jungen Pkw-Lenker reduziert: von 121 (2003) auf 50 (2011). Die Mehrphase hat damit im letzten Jahrzehnt insgesamt ca. 100 Leben gerettet, die gerade erst begonnen haben, und ca. 6.000 Verletzte verhindert.

Es geht noch besser: Mehr Praxis, neue Methoden

Trotz der erfreulichen Entwicklung sind junge Lenker nach wie vor überproportional häufig an Unfällen beteiligt. Bei einem Bevölkerungsanteil der 17-25 Jährigen von 13% liegt die Unfallbeteiligung mit Personenschäden dieser Altersgruppe bei 33%.

Von Anfang an wurde die zweite Ausbildungsphase gut aufgenommen. Besonders das Fahrsicherheitstraining hat es den jungen Fahranfängern angetan und steht im Beliebtheitsranking der Module an der Spitze. Gruppendiskussionen mit den Betroffenen haben weiters gezeigt, dass auch Trainings zur Gefahrenwahrnehmung (praxisnahe Tipps zum Umgang mit Risiken) als sinnvoll empfunden werden und – wie in der neuen Motorradausbildung – auch in die Fahrausbildung der PKW-Lenker integriert werden sollten. „Wir wissen, dass junge Fahrer schneller bereit sind, ein Risiko einzugehen und Gefahren häufig nicht richtig einschätzen können. Aus diesem Grund ist es bei dieser Gruppe besonders wichtig, ihre Risikokompetenz ausreichend zu schulen und sie in der Gefahrenwahrnehmung fit zu machen“, schließt Thann.