Raus in die Natur, lautet für viele Menschen derzeit die Devise. Dabei werden vor allem Österreichs Berge wieder neu entdeckt. Mit dem Berg-Boom allerdings, der auch für die kommende Saison erwartet wird, kommt es auch zu zahlreichen Unfällen und Verletzungen. Um Berg-Unfälle in diesem Jahr gering zu halten, appellieren nun die großen Bergrettungs- und Präventionsorganisationen, der Österreichische Bergrettungsdienst ÖBRD, das Österreichische Kuratorium für Alpine Sicherheit ÖKAS gemeinsam mit Alpinpolizei und KFV, Risiken am Berg ernst zu nehmen. 261 Menschen starben im vergangenen Jahr in Österreichs Bergen. Wichtige Sicherheitstipps sollten immer beachtet werden, so die Profis.
Wien, 19. Mai 2021. Während sich die einen durch die geänderten Lebensbedingungen in ihre eigenen vier Wände zurück zogen, motivierten die Einschränkungen andere wiederum in Sport-Bereiche aufzubrechen, die sonst nicht unmittelbar zur Wochenendgestaltung gehörten. „Die Pandemie hat den Massentourismus ausgebremst, die heimischen Berge wurden neu entdeckt. Dieser Berg-Boom war schon im letzten Jahr spürbar. Wir hatten viele Einsätze, die uns durch die zusätzlichen Anforderungen der Corona-Pandemie gefordert haben“, so der Bundesgeschäftsführer des Österreichischen Bergrettungsdienstes, Ing. Martin Gurdet.
2020: 261 Menschen am Berg tödlich verunglückt, 7.466 Verletzte
Wie aus der Alpinunfallstatistik des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit (ÖKAS) / BM.I Alpinpolizei hervorgeht, kamen im Jahr 2020 zwischen 1. Januar und 31. Dezember 261 Menschen in Österreichs Bergen ums Leben. Das Zehnjahresmittel liegt bei 290 Toten pro Jahr. Im Jahr 2020 starben österreichweit 42 Frauen (16%) und 219 Männer (84%) am Berg. Im Jahr 2020 sind 7.466 Verletzte in der Alpinunfalldatenbank zu verzeichnen – etwa 500 Verletzte mehr als im Vorjahr 2019. „Im besten Fall passieren Unfälle erst gar nicht. Die richtige Selbsteinschätzung, vor allem wenn man mit Kindern unterwegs ist, ist besonders wichtig“, so Dr. Peter Paal, Präsident vom Österreichischen Kuratorium für Alpine Sicherheit ÖKAS.
Wanderungen oft ungenügend geplant
Vor jeder Bergtour sollten die körperliche Verfassung und Bergerfahrung aller Teilnehmer realistisch eingeschätzt und darauf basierend der Schwierigkeitsgrad der Route und die Länge der Tour bestimmt werden. In der Realität ist das jedoch nicht immer der Fall. In einer Erhebung des KFV während der letzten Wandersaison konnte jeder 7. befragte Wanderer (15 Prozent) nicht angeben, welchen Schwierigkeitsgrad der Weg aufweist, auf dem er gerade unterwegs ist. „Um Fehleinschätzungen, Überforderung oder Übermüdung vorzubeugen, ist eine sorgfältige Routenplanung das Um und Auf“, so KFV-Sprecherin und Präventionsexpertin Dr. Johanna Trauner-Karner.
Von Mai bis Oktober 2020 hielten rund 4.000 Unfälle die Beamten der Alpinpolizei in den Bergen auf Trab. „Der Dienst in den Bergen stellt eine besondere Herausforderung dar. Das Aufgabengebiet ist umfangreich und erstreckt sich von der Unfallerhebung bei typischen Bergunfällen bis hin zu Flug- und Forstunfällen. Unser Hauptaugenmerk richtet sich auf die Frage, ob bei Unfällen Fremdverschulden vorliegt oder nicht. Die Berge sind kein rechtsfreier Raum“, so Oberst Hans Ebner von der Alpinpolizei. Weiters werden jedes Jahr zwischen 300 und 400 Abgängigkeiten im alpinen Gelände angezeigt und Suchaktionen gestartet, für die die Polizei gesetzlich zuständig ist. Die Frauen und Männer der Bergrettung sind dabei die wichtigsten Partner. Allen Bergsportbegeisterten wird von Bergrettung und Alpinpolizei eine neue Ortungstechnologie empfohlen, die die Personensuche im Falle eines Unfalles oder einer Notlage deutlich vereinfachen kann. „Ein Rettungsreflektor, nur wenige cm lang mit einem Gewicht von 4 Gramm kann an Rucksäcken, Helmen oder Jacken simpel angebracht und im Ernstfall zum Lebensretter werden.“ Am Polizeihubschrauber kann im Bedarfsfall ein Detektor montiert werden, mit dem man relativ rasch große Flächen absuchen kann.
Die Sicherheitstipps der Profis
Selbsteinschätzung
Schätze dein Können und deine Kräfte sowie jene der Begleiter, insbesondere von Kindern, ehrlich ein. Richte bei der Tourenplanung die Länge und die Schwierigkeit der Tour danach. Häufige Unfallursachen sind Übermüdung, Erschöpfung und Überforderung.
Tourenplanung
Eine sorgfältige Tourenplanung verringert das Risiko von unliebsamen Überraschungen. Plane eine Alternative, falls sich die Bedingungen vor Ort so verändern, dass eine Durchführung der Tour zu gefährlich wäre. Passe dein Verhalten während der Tour den aktuellen Umständen an. Jemand sollte wissen, welche Tour du dir vornimmst und wann du deine Rückkehr geplant hast. Verirren führt oft zu aufwändigen, langwierigen und teuren Sucheinsätzen.
Ausrüstung
Passe deine Ausrüstung an die Witterung sowie an die Dauer, Art und Schwierigkeit der Tour an. Orientierungsmittel und Notfallausrüstung wie Karten, Topos, Rucksackapotheke, Biwaksack, Handy mit vollem Akku, akustische/optische Signalmittel sowie Regenschutz und eine Lampe solltest du immer dabeihaben.
Verpflegung
Gehaltvolle Nahrung, die den Magen nicht beschwert, ist der ideale Energiespender. Lege regelmäßig Pausen ein. Trinke ausreichend. Dehydration kann zu einer gefährlichen Schwächung des Kreislaufs führen.
Wettereinschätzung
Hole schon bei der Tourenplanung Informationen von Wetter- und/oder Lawinenwarndiensten ein und beobachte die Wetterlage auch während der Tour ständig. Kehre bei einem Wettersturz rechtzeitig um bzw. suche Schutz. Nässe und Kälte führen rasch zu Unterkühlung und auch im Sommer schnell zu Leistungsverlust mit völliger Erschöpfung.
Tempo
Das Tempo orientiert sich stets am schwächsten Mitglied einer Gruppe. Teile oder verlasse die Gruppe nie. Zu schnelles Gehen führt zu frühzeitiger Erschöpfung.