Balken, Ellipsen und ihre Effekte: Bringt Bodenmarkierung für Biker*innen in Kurven mehr Sicherheit?

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Kollisionen mit dem Gegenverkehr sind für Motorradfahrende eine Begegnung der fatalen Art. Damit Biker*innen künftig sicher die Kurve kratzen, testete ein KFV-Forschungsteam in Risikokurven in Niederösterreich, Kärnten und im Burgenland neue Sondermarkierungen für den Motorradverkehr. Sind diese Bodenwegweiser ein probates Mittel für mehr Sicherheit?

Unübersichtliche Linkskurven – die unliebsame Begegnung der fatalen Art: Wenn Motorradlenker*innen in Kurvenschräglage bei Überhang des Oberkörpers den unvermittelt auftauchenden Gegenverkehr touchieren, ist es meist für alles zu spät. Umso wichtiger ist daher präventive Bewusstseinsbildung in Sachen Achtsamkeit bei Kurvenfahrten – auch in Form von Bodenmarkierungen, die Biker*innen den richtigen, sicheren Weg um die Kurve weisen sollen, und zwar in angemessenem Respektabstand vom linken Fahrstreifen. Damit Bikes und Biker*innen auch dann auf der eigenen Spur bleiben, wenn plötzlich der Postautobus um die Kurve rollt.

Risikokurven unter der Lupe
In acht ausgewählten Risikokurven im niederösterreichischen, burgenländischen und Kärntner Landes- und Bundesstraßennetz wurden im Jahr 2016 von einem KFV-Forschungsteam in Kooperation mit Exekutive, Behörden und regionalen Straßenmeistereien neue Sondermarkierungen zur Beeinflussung der Wahl von Kurvenfahrlinien durch Motorradfahrende installiert. In drei Kurven wurde jeweils auf dem rechten Fahrstreifen entlang der Mittellinie eine Reihe weißer Ellipsen markiert, in fünf weiteren Kurven wurden an gleicher Stelle kurze, quer zur Fahrtrichtung liegende weiße Balkenfolien auf der Fahrbahnoberfläche appliziert. Diese wahrnehmungspsychologisch konzipierten Folienmarkierungen sollten Motorradfahrenden in unübersichtlichen Linkskurven optische Guidelines bieten: Die künftigen Fahrlinien der Biker*innen sollten intuitiv rechts entlang der Balken und Ellipsen erfolgen – raus aus der berüchtigten Gefahrenzone einer potenziellen Kollision mit dem Gegenverkehr.

Gesamtrückgang des Unfallgeschehens um 42 %
Nun stellt sich die Frage: Brachten die Bodenmarkierungen den gewünschten Erfolg? Konnten die Balken und Ellipsen in Sachen Sicherheit punkten? Nach einer ersten Vorher-Nachher-Untersuchung noch im Jahr 2016 folgte 2020 eine zweite Nachher-Untersuchung zur Bewertung der mittelfristigen Effekte dieser Sondermarkierungen.

Der präzise statistische Vergleich der Zeiträume 2013-2015 und 2017-2019 zeigt einen Rückgang des Unfallgeschehens auf den untersuchten Kurvenstrecken: Die gesamte Anzahl der Motorradunfälle mit Personenschaden in diesen acht Kurven ging nach Installation der Sondermarkierungen um rund 42 % zurück. Mit der Abnahme der Unfallereignisse ging auch eine Reduktion der Verletztenzahlen einher. 

  • Kurven mit Ellipsen – Ziel Zero erreicht: In allen Kurven mit Ellipsenmarkierung wurden seit der Aufbringung der Sondermarkierungen im Jahr 2016 keine Motorradunfälle mit Personenschaden mehr verzeichnet. 
  • Kurven mit Balken – gemischte Ergebnisse: Die Resultate der Balken-Kurven sind allerdings gemischt. Ein Kurvenverlauf der B 21 Gutensteiner Straße wies den stärksten Rückgang im Unfallgeschehen auf: von 5 auf 1 Unfälle mit Personenschaden. In zwei Kurven mit Balkenmarkierung wurde jedoch eine Zunahme der Unfallzahlen um jeweils zwei Ereignisse verzeichnet: L 213 Lorettoer Straße und B 69 Südsteirische Grenzstraße. Zwei weitere Kurvenstellen – B 25 Erlauftal Straße und B 91 Loiblpass Straße – zeigten zahlenmäßig keine Veränderung.

Sichtbare Erfolge – entgegen dem Trend
Alles in allem liefert die Analyse 2020 aber Grund zur Erleichterung: Nach Aufbringung der Sondermarkierungen wurde insgesamt ein deutlicher Rückgang im Motorradunfallgeschehen dieser acht Kurvenverläufe registriert. Aufgrund der geringen Zahlen sind die einzelnen Rückgänge zwar statistisch nicht signifikant, doch in jedem Fall – und bei jedem einzelnen geretteten Leben – ein sichtbarer Etappenerfolg für die Verkehrssicherheitsarbeit.

Wohlgemerkt: Vergleicht man den Trend des Motorradunfallgeschehens jener acht Kurven im Untersuchungszeitraum mit jenem im gesamten österreichischen Landes- und Bundesstraßennetz, zeigt sich erneut die Wirksamkeit der Sondermarkierungen: Bei Motorradunfällen im Freiland war österreichweit eine allgemeine Steigerung der Unfall-, Verletzten- und Getötetenzahlen um rund 10 % zu verzeichnen – in den Kurven mit Sondermarkierungen verhielt sich die Entwicklung des Unfallgeschehens aber gegenläufig zum österreichweit steigenden Trend.

Motorräder raus aus der Gefahrenzone!
Auch die Fahrlinien von Motorradlenker*innen wurden in den acht untersuchten Kurvenbereichen näher unter die Lupe genommen. Der Einfluss der Sondermarkierungen im Kurvenscheitel auf das Spurverhalten der Biker*innen war eindrucksvoll: Beobachtet wurde eine signifikante Verlagerung der Fahrlinien von der Innenseite des Fahrstreifens, also jener Kurvenzone mit latenter Kollisionsgefahr mit dem Gegenverkehr, in den sichereren Außenbereich.

Vor Aufbringung der Markierungen fuhren bereits rund 36 % aller Biker*innen im Kurvenscheitel im sichereren äußeren Bereich des Fahrstreifens, dieser Anteil der Achtsamen wuchs dank der Sondermarkierungen auf beachtliche 68 % im Jahr 2020 an. Über nahezu alle acht Kurven hinweg zeigte sich dieser erfreuliche Rückzug aus der Risikozone.

Fazit der KFV-Expert*innen: Ja zu Sondermarkierungen in Risikokurven!
Die Sondermarkierungen haben also ihre Prüfung bestanden – ihre Wirksamkeit steht fest:

  • Verringerung der Unfall- und Verletztenzahlen in den untersuchten Kurvenbereichen
  • Verlagerung der Fahrlinien von Motorradlenker*innen im Kurvenscheitel von innen nach außen

In diesem Sinne: Ja zu Sondermarkierungen für den Motorradverkehr in besonders kritischen Linkskurven!

Hier der Download-Link zur KFV-Studie:
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