Alarmierende Dynamik bei E-Scootern: viele Alkoholunfälle und eine Verfünffachung der Verletzten

1038

E-Scooter erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Zugleich gehen die Unfallzahlen rapide nach oben. Seit Beginn des E-Scooter-Booms im Jahr 2019 hat sich die Anzahl der im Spital behandelten Verletzten in Österreich von 1.200 auf 6.000 im Jahr 2023 verfünffacht. Besonders alarmierend ist laut Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV), dass 12 Prozent der verunfallten E-Scooter-Lenkenden zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert waren. Bei Unfällen mit Pkw (4%) und Motorrädern (3%) saßen viel seltener Betrunkene am Steuer. Das KFV fordert mehr Risikobewusstsein und eine Helmpflicht.

Wien, 12. April 2024. Angesichts der steigenden Temperaturen dürften die E-Scooter-Fahrten und damit auch die Unfälle demnächst wieder stark zunehmen. Betroffen sind vor allem junge Menschen. Bereits in den ersten neun Monaten des Vorjahres zeigte sich ein sehr klares Bild: Die mit E-Scootern verunglückten Personen sind durchschnittlich 34 Jahre alt und damit deutlich jünger als bei E-Bike-Unfällen (55 Jahre) und bei Fahrrad-Unfällen (46 Jahre). Alkohol spielt zudem als Unfallursache eine viel größere Rolle als beim Lenken anderer Verkehrsmittel. 12 Prozent der beteiligten E-Scooter-Fahrenden waren zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert. Zum Vergleich: Im Pkw-Bereich beträgt bei Unfällen der Anteil der Betrunkenen am Steuer 4 Prozent und bei Motorrädern 3 Prozent.

Vorsicht auch bei Wechselwirkungen von Alkohol mit Medikamenten

„Alarmierend ist für uns auch der hohe Alkoholspiegel, denn 90 Prozent der nachweislich alkoholisierten E-Scooter-Fahrenden waren zum Unfallzeitpunkt mit einem Blutalkoholwert von mehr als 1,0 Promille unterwegs und 28 Prozent sogar mit mehr als 2,0 Promille“, erklärt Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheit im Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV). Das Alkohollimit für das Fahren mit E-Scootern beträgt, ebenso wie bei Fahrrädern, 0,8 Promille. Dipl.-Ing. Robatsch gibt allerdings zu bedenken: „Die Polizei darf jeden am Weiterfahren hindern, wenn die betreffende Person zum Beispiel aufgrund von Wechselwirkungen mit Medikamenten oder Müdigkeit nicht mehr sicher fahren kann.“

Empfindliche Strafen bis zu 5.900 Euro bei Alkoholisierung

Wie KFV-Erhebungen zeigen, sind generell 77 Prozent der Unfälle mit E-Scootern auf Selbstverschulden zurückzuführen.  Mangelndes Verantwortungsbewusstsein offenbart auch eine andere Studie des KFV. Demnach würden 13 Prozent von fast 200 Befragten unmittelbar nach dem Konsum von 2 großen Bier oder 2 Vierteln Wein sofort wieder mit dem E-Scooter fahren. 9 Prozent würden eine Stunde warten und 11 Prozent zirka 2 bis 3 Stunden. Tatsächlich ist bereits nach der Konsumation von kleinen Mengen Alkohol die Fahrleistung beeinträchtigt, wie der Leiter der Verkehrssicherheit im KFV erläutert: „Eine deutsche Studie hat gezeigt, dass sich die Fahrleistungen in Teilabschnitten eines Test-Parcours bereits ab 0,21 Promille gegenüber nüchternen Probanden verschlechtert haben.“ Neben dem Sicherheitsaspekt, spricht aber auch der finanzielle Aspekt sehr dafür, niemals betrunken zu fahren. Der Strafrahmen für das Fahren mit E-Scootern ab 0,8 Promille beträgt 800 bis 3.700 Euro, ab 1,2 Promille sind 1.200 bis 4.400 Euro fällig und ab 1,6 Promille bzw. bei Verweigerung des Alkoholtests sogar 1.600 bis 5.900 Euro. Darüber hinaus drohen zivilrechtliche oder strafrechtliche Konsequenzen, wenn jemand unter Alkoholeinfluss einen Unfall verursacht.

„Alarmierend ist für uns auch der hohe Alkoholspiegel, denn 28 Prozent der nachweislich alkoholisierten E-Scooter-Fahrenden waren zum Unfallzeitpunkt mit einem Blutalkoholwert von mehr als 2,0 Promille unterwegs“

Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV©KFV
Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter des Bereichs Verkehrssicherheit im KFV©KFV

KFV und Bevölkerung sind für eine Helmpflicht

Zum verantwortungsbewussten Fahrverhalten gehört für Dipl.-Ing. Robatsch auch das Tragen eines Helms: „Verpflichtend vorgeschrieben sind Helme bei E-Scootern in Österreich nur für Kinder unter 12 Jahren, ratsam sind sie aber ausnahmslos für alle. Um schwere Kopfverletzungen zu vermeiden, bekräftigen wir daher unsere Forderung nach einer Helmpflicht beim Fahren mit E-Scootern sowie mit E-Bikes“, so der Experte. Auch 70 Prozent der österreichischen Bevölkerung sind laut einer KFV-Umfrage bereits entweder dafür – oder sogar sehr dafür – dass E-Scooter-Fahrende einen Helm tragen sollen. Tatsächlich liegt die Helmtragequote derzeit in Österreich laut KFV-Erhebungen aber erst bei rund 9 Prozent und bei Leih-Scootern sogar noch deutlich darunter.

Zahl der spitalsbehandelten Verletzten hat sich verfünffacht

Die Daten zeigen jedenfalls deutlich, dass Gegenmaßnahmen dringend notwendig sind. Laut Verkehrsunfallstatistik 2023 wurden in den ersten neun Monaten des Vorjahres 1.245 Personen beim Fahren mit einem E-Scooter verletzt oder getötet. Das sind 4% aller in diesem Zeitraum Verunglückten im Straßenverkehr. Allerdings gibt es bei E-Scootern ebenso wie bei Fahrrädern eine sehr hohe Dunkelziffer bei den Verletzten, weil bei Alleinunfällen diese häufig gar nicht polizeilich gemeldet werden und somit in der Verkehrsunfallstatistik nicht aufscheinen. Das KFV befragt daher regelmäßig in ausgewählten Spitälern Unfallopfer, wenn sie zur Nachbehandlung in die Spitals-Ambulanzen kommen, und rechnet die Daten im Rahmen von IDB-Austria hoch. Demnach hat sich die Anzahl der im Spital behandelten Verletzten seit Beginn des E-Scooter-Booms im Jahr 2019 in Österreich von 1.200 auf 6.000 Verletzte im Jahr 2023 verfünffacht.

KFV fordert Helmpflicht, zweite Bremse und Drosselung auf 20 km/h

Das KFV fordert daher nicht nur mehr Risikobewusstsein, sondern auch eine Helmpflicht für alle beim Lenken eines E-Scooters oder E-Bikes. Weiters sollten für E-Scooter Glocke, Blinker, eine zweite Bremse und eine Maximalgeschwindigkeit von 20 km/h verpflichtend vorgeschrieben werden. Dipl.-Ing. Robatsch dazu: „Insbesondere die zweite Bremse und die Drosselung auf 20 km/h wären ein entscheidender Beitrag zur Erhöhung der Verkehrssicherheit, weil sich dadurch sowohl Bremsweg als auch Reaktionsweg spürbar verkürzen“.

Sicherheitstipps für das Fahren mit dem E-Scooter

  • Üben Sie den Umgang mit dem E-Scooter im verkehrsfreien Raum. Vor der ersten Fahrt im Straßenverkehr das Bremsen, das Geben von Handzeichen, das Abbiegen, das Gleichgewicht-Halten und das Ausweichen vor Hindernissen trainieren.
  • Schützen Sie Ihren Kopf mit einem Helm.
  • Fahren Sie stets rücksichtsvoll und gefährden Sie andere Verkehrsteilnehmer nicht.
  • Halten Sie sich an die Verkehrsregeln und fahren Sie nicht alkoholisiert.
  • Fahren Sie nicht auf Gehwegen und Gehsteigen.
  • Achtung bei Randsteinen: Erhöhte Sturzgefahr aufgrund der kleinen Räder beim E-Scooter.
  • Seien Sie besonders aufmerksam im Kreuzungsbereich: Nähern Sie sich langsam der Kreuzung und seien Sie sich möglicher Gefahren durch abbiegende Fahrzeuge bewusst (Gefahr des “toten Winkels”).
  • Vermeiden Sie Ablenkungen, verzichten Sie beim Fahren auf Musikhören.
  • Verwenden Sie das Mobiltelefon nicht während der Fahrt.
  • Helle Kleidung und Reflektoren auf der Kleidung und am E-Scooter helfen Ihnen, besser gesehen zu werden. Schalten Sie bei Dunkelheit und schlechter Sicht das Licht Ihres E-Scooters rechtzeitig ein. Auch am Tag sind Lichtfahrer sichtbarer.
  • Fahren Sie niemals zu zweit auf dem E-Scooter.
  • Fahren Sie besonders vorsichtig bei Bodenunebenheiten, Schienen und nassem Untergrund.
  • Transportieren Sie Gegenstände in einem Rucksack auf Ihrem Körper.
  • Überprüfen Sie Leihgeräte vor deren Nutzung auf Verkehrstüchtigkeit und Bremsleistung.
  • Vorsicht im Urlaub: Die gesetzlichen Regelungen für E-Scooter sind in Europa nicht einheitlich. Erkundigen Sie sich vor der Abreise, welche Regeln an Ihrem Reiseziel gelten.

Presseaussendung .pdf