Mit dem Einzug des Virus änderte sich seit dem Frühjahr 2020 so vieles – auch die Mobilität und Sicherheit auf Österreichs Straßen. Das KFV nimmt aktuelle Unfalltrends, das neue Mobilitätsverhalten der ÖsterreicherInnen und deren Verkehrsmoral genauer unter die Lupe.
Home-Office, Distance Learning, geschlossene Läden und Lokale, Ausgangs- und Reiseverbote – besonders in den Lockdown-Phasen im Frühjahr und Herbst 2020 kam das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben im Land praktisch zum Stillstand. Mit spürbaren Auswirkungen auf unsere Mobilität – zum Vor- oder Nachteil der Sicherheit? Die gute Nachricht zuerst: Corona rettete zumindest auf der Straße Menschenleben. Mit dem geringeren Verkehrsaufkommen gingen auch weniger Unfälle und weniger Verunglückte einher. Die nicht so gute Nachricht: Die Getötetenzahlen gingen nur relativ schwach zurück. Ein Indiz für hohe Unfallschwere und fatales Tempo.
Ein Fünftel weniger Verkehr
Bereits im März 2020 waren um 38% weniger Fahrzeuge auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen unterwegs, im April sogar minus 57%. Erst im August erreichte die Fahrzeugfrequenz annähernd wieder das Niveau der Vorjahre 2017-2019. Mit Beginn des zweiten Lockdowns ab November 2020 wurde es wieder einsamer auf Österreichs Straßen. Das gesamte Autobahn- und Schnellstraßen-Verkehrsaufkommen 2020 sank um fast ein Fünftel (-19%).
Mehr getötete Rad- und Lkw-Fahrer
Mit insgesamt 338 Todesopfern gab es im Jahr 2020 um 18% weniger Verkehrstote als im Durchschnitt der Jahre 2017-2019 zu beklagen. Zumindest in den Kategorien Pkw (-24%), Motorrad (-17%), Moped (-61%) und Fußgänger (-23%) gingen die Zahlen der Getöteten zurück. Ein Anstieg zeigte sich jedoch in den Kategorien Fahrrad (+13%) und Lkw (+18%).
Risikofaktor Nr. 1: Tempo
Die Daten sprechen eine deutliche Sprache – und zeigen eine neue und gleichzeitig altbekannte Hauptursache tödlicher Unfälle: „nicht angepasste Geschwindigkeit“. Der Faktor Tempo hat den traurigen Rang 1 der Hauptunfallursachen zurückerobert: Mehr als jeder dritte tödliche Unfall (36%) war im Jahr 2020 auf nicht angepasste Geschwindigkeit zurückzuführen – in den Jahren 2017-2019 lag dieser Wert durchschnittlich bei 26%. „Ablenkung/Unachtsamkeit“ fiel dagegen von 30% auf 23% und somit auf Platz 2 zurück. Unverändert auf Platz 3 liegen folgenschwere Vorrangverletzungen.
Dreimal mehr Raser im Ortsgebiet
Leere Straßen – freie Fahrt? Die Resultate österreichweiter KFV-Geschwindigkeitsmessungen lassen aufhorchen: Im ersten Lockdown 2020 war im Ortsgebiet (bei Tempolimit 50) ein höherer Anteil an Geschwindigkeitsüberschreitungen (50,5%) erkennbar als davor (43,9%). Der Anteil auffälliger Raser, die um mehr als 30 km/h zu schnell Innerortsstraßen verunsichern, stieg seit Corona um das Dreifache an.
Vor dem Schutzweg: Stopp heißt Stopp?
Artverwandt mit der Problematik nicht angepasster Geschwindigkeit ist die schwache Anhaltebereitschaft von Kfz-LenkerInnen vor ungeregelten Schutzwegen: Rund um den Zebrastreifen macht sich vermehrte Rücksichtslosigkeit breit. KFV-Beobachtungen zeigen: Die Werte der Schutzweg-Ignoranz stiegen seit Beginn der Corona-Krise von 8% auf 12,4%.
Mobilität neu gedacht
Eine österreichweite KFV-Befragung lässt eine generelle Verringerung der Mobilität und eine Verlagerung des Modal Split erkennen: Öffis werden seit Beginn der Pandemie deutlich seltener genutzt, dafür werden um bis zu 20 % mehr Wege zu Fuß zurückgelegt. Für die Zeit nach der Krise haben die ÖsterreicherInnen gute Vorsätze im Hinblick auf aktive Mobilität: Sie wollen weiterhin wesentlich öfter zu Fuß gehen und Rad fahren.
Generationen 40 plus: Mehr Vorsicht, mehr Vernunft
Drei Viertel der befragten ÖsterreicherInnen (76%) verhalten sich laut Eigenaussage seit Beginn der Corona-Krise im Straßenverkehr „wie immer“, 21% sind jedoch vorsichtiger als zuvor. Nur 3% geben erhöhte Eile als Grund für verminderte Achtsamkeit auf der Straße an. Motivation zu größerer Vorsicht sind vermehrte Wachsamkeit (49%), die bewusste Vermeidung von Spitalsaufenthalten (40%) und gestiegenes Verantwortungsgefühl (35%) – vor allem in den lebenserfahrenen Generationen ab einem Alter von 40 Jahren.
Zukunftswunsch: Mehr Sicherheit – auch auf der Straße!
Für die Zukunft wünscht sich die Mehrheit der Befragten die Schaffung sicherer Schul-, Fußgänger- und Radwege sowie mehr Kontrollen in Sachen Alkohol und Drogen am Steuer.
Maßnahmen gegen tödliches Tempo
Aus Sicht der KFV-ExpertInnen bedarf es neben angepasster Infrastruktur für künftig vermehrten Fußgänger- und Radverkehr auch neuer rechtlicher Rahmenbedingungen zum Schutz vulnerabler Verkehrsteilnehmer. Höhere Strafen für Raser, strengere Regeln in puncto Führerscheinentzug, die Aufnahme von Geschwindigkeitsüberschreitungen in das Vormerksystem und die Abschaffung der Toleranzgrenzen für geringe Tempoüberschreitungen garantieren mehr Sicherheit für die Schwächsten auf der Straße.