Lauterach, 18. Oktober 2017. Trotz gesetzlich vorgeschriebener Spiegel am Lkw können Fahrer nicht jeden Bereich rund um ihr Fahrzeug einsehen. Grundsätzlich gilt: Je größer das Fahrzeug ist, desto größer ist der tote Winkel, der unmittelbar vor bzw. hinter dem Fahrzeug oder seitlich am Fahrzeug entstehen kann. Radfahrer oder Fußgänger, die sich in diesen Bereichen befinden, können vom Fahrer nicht gesehen werden. Daher entstehen vor allem in Kreuzungsbereichen immer wieder gefährliche Situationen – bis hin zu tödlichen Verkehrsunfällen.
„In den letzten fünf Jahren wurden vorarlbergweit 642 Lkw-Unfälle mit Personenschaden verzeichnet. 136 Radfahrer und Fußgänger erlitten dabei teils schwerste Verletzungen, zehn Personen verunglückten sogar tödlich. Fakt ist, dass rund zehn Prozent der Verkehrsunfälle, an denen Lkw und Radfahrer beteiligt waren, im Kreuzungsbereich beim Einbiegen stattfanden. Diese Unfallart zieht meist schwerste Unfallfolgen nach sich“, betont Mag. Martin Pfanner vom KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit). Die Ursache für diese Unfälle liegt häufig darin, dass Radfahrer oder Fußgänger von den Lkw-Lenkern übersehen werden. Diesem Phänomen möchte das KFV gemeinsam mit der WKV und dem Land Vorarlberg mit dem neuen Verkehrssicherheitsprojekt „ACHTUNG: Toter Winkel“, das eine Unterstützung der Lkw-Lenker und die gezielte Information von Radfahrern und Fußgängern umfasst, entgegenwirken. Für Schüler wird seit vielen Jahren zum Thema „Toter Winkel“ eine erfolgreiche Verkehrserziehungsaktion durch Sicheres Vorarlberg durchgeführt.
Bewusstseinsbildung zur Reduktion von Unfällen Ungeschützte Verkehrsteilnehmer dürfen sich nicht darauf verlassen, jederzeit von Lkw-Lenkern wahrgenommen zu werden. Selbst bei größter Sorgfalt ist es für diese unmöglich, neben der Konzentration auf das eigentliche Fahren, gleichzeitig alle Fahrzeugspiegel einzusehen.
„Mit dem Verkehrssicherheitsprojekt ‚ACHTUNG: Toter Winkel‘ sensibilisieren wir gezielt Radfahrer und Fußgänger durch Warnhinweisaufkleber und Informationsfolder und machen darauf aufmerksam, dass auch der perfekte Lkw- oder Bus-Lenker nicht alle Bereiche rund um sein Fahrzeug einsehen kann. Um die Gefahren für Radfahrer und Fußgänger möglichst zu minimieren, werden wir unseren Mitgliedsunternehmen die Verwendung der Aufkleber ebenso wie die Nutzung des Spiegeleinstellteppichs empfehlen. So kann der tote Winkel möglichst klein gehalten werden“, betont Andreas Natter, stellvertretender Obmann der Fachgruppe für das Güterbeförderungsgewerbe der Wirtschaftskammer Vorarlberg.
Ziel: Minus 20 Prozent Verletzte im Straßenverkehr
„Das Ziel des Projekts ‚ACHTUNG: Toter Winkel‘ ist es, dass sich sowohl Lkw-Lenker als auch Radfahrer und Fußgänger bewusst werden, dass der Fahrer Personen im direkten Umfeld des Lkw oft schwer oder gar nicht erkennen kann. Nur so kann ein wesentlicher Sicherheitsbeitrag geleistet werden und die Zahl der Unfälle reduziert werden“, erklärt Landesstatthalter Mag. Karlheinz Rüdisser. „Mit dem Vorarlberger Verkehrssicherheitsprogramm soll bis zum Jahr 2020 die Zahl der Verletzten im Straßenverkehr im Vergleich zu den Durchschnittszahlen aus den Jahren 2012/13 um 20 Prozent gesenkt werden. Ein besonderer Schwerpunkt gilt dabei den sogenannten ungeschützten Verkehrsteilnehmern, insbesondere den Fußgängern und Radfahrern“, ergänzt Rüdisser.
Rund 300.000 Euro jährlich gibt das Land Vorarlberg als Beiträge für Verkehrserziehungsaktionen und die Ausstattung der Verkehrspolizei sowie für Sicherheitsinitiativen, Medienkampagnen usw. aus. Auch das Straßenbau-Budget des Landes – rund 53 Millionen Euro – ist ganz wesentlich aus dem Blickwinkel der Sicherheit zu betrachten, denn bei vielen Bauprojekten geht es in erster Linie um die Entschärfung von Gefahrenstellen im Straßennetz.
Die Verkehrssicherheitsmaßnahmen im Detail
Zusätzlich zu verschiedensten Infrastrukturmaßnahmen (z.B. vorgezogene Grünphasen für Radfahrer oder vorverlegte Aufstellflächen für Radfahrer im Kreuzungsbereich) und den technischen Maßnahmen am Lkw (z.B. Spiegel, Kamera-Monitor-System, Abbiegeassistent, Notbremsassistent), die zur Vermeidung von Lkw-Unfällen aufgrund des toten Winkels beitragen sollen, setzen das KFV, die WKV und das Land Vorarlberg auf die gezielte Ausbildung der Lkw-Fahrer.
Mit einem sogenannten „Spiegeleinstellteppich“, der aus verschiedenfärbigen Planen besteht und vor Ort im Unternehmen auf den Asphalt aufgelegt wird, erhalten Lkw-Lenker die Möglichkeit, die Lkw-Spiegel optimal zu justieren, um so tote Winkel bestmöglich zu vermeiden. Des Weiteren werden ihnen von KFV-Mitarbeitern Tipps mit auf den Weg gegeben, um Unfälle – vor allem im Kreuzungsbereich – zu vermeiden. Zusätzlich steht auch die Information von Radfahrern und Fußgängern im Fokus. Mit speziellen Warnhinweisaufklebern, welche direkt am Gefahrenpunkt rechts hinten am Lkw aufgeklebt werden, soll signalisiert werden, dass der stehende Lkw auf der rechten Seite nicht überholt werden darf, da man sich damit in den toten Winkel begibt. Mit einem informativen Folder mit Klappmechanismus wird plakativ auf das Thema „Toter Winkel“ hingewiesen, der Verhaltenstipps für Radfahrer und Fußgänger enthält.
Das Vorarlberger Pilotprojekt „ACHTUNG: Toter Winkel“ wird 2018 auf ganz Österreich ausgeweitet, um so viele Menschen wie möglich für die Gefahren der eingeschränkten Sicht bei Schwerfahrzeugen zu sensibilisieren.
Verhaltenstipps für Fußgänger und Radfahrer:
- Seien Sie besonders aufmerksam, wenn ein Fahrzeug neben Ihnen abbiegt oder abbiegen möchte (Blinkzeichen).
- Drehen Sie sich um, bevor Sie eine Kreuzung überqueren, und vergewissern Sie sich, ob ein Rechtsabbieger von hinten kommt.
- Queren Sie nicht direkt vor einem Fahrzeug die Straße, wenn Sie den Fahrer nicht sehen können.
- Warten Sie hinter dem Lkw, nicht neben ihm, wenn Sie beim Radfahren an einer roten Ampel stehen.
- Das rechte Hinterrad eines Lkw hat einen engeren Kurvenradius als das vordere Rad. Achten Sie darauf, sich nicht zu nahe am Fahrzeug zu bewegen und halten Sie genügend Abstand.
- Wenn Sie dem Fahrer nicht in die Augen sehen können, kann er Sie auch nicht sehen! Suchen Sie daher Blickkontakt.
- Verzichten Sie im Zweifelsfall auf Ihren Vorrang.
Verhaltenstipps für Lkw-Fahrer:
- Stellen Sie die Spiegel Ihres Lkw auf Ihre Sitzposition ein.
- Überlegen Sie bei jedem Fahrzeug, das Sie zum ersten Mal benutzen, wo genau die toten Winkel sind.
- Blinken Sie vor dem Einbiegen und vor einem Fahrstreifenwechsel mindestens drei Mal. Achten Sie schon in der Annäherung an eine Kreuzung, wer oder was Ihnen beim späteren Einbiegen im Weg sein könnte.
- Achten Sie beim Rechtsabbiegen besonders auf Fußgänger und Radfahrer.
- Beobachten Sie den Bereich vor und neben Ihrem Fahrzeug (vor allem die rechte Seite) bereits, wenn Sie an der Kreuzung warten. Berücksichtigen Sie, dass auch nach dem Anfahren noch weitere Fußgänger oder Radfahrer in den toten Winkel treten bzw. einfahren können.
- Schauen Sie vor dem Losfahren immer in den Frontspiegel.