Wenn der Randstein für Radfahrende zum tödlichen Hindernis wird: Eine neue KFV-Studie im Auftrag der Stadt Salzburg rückt Randsteinunfälle von Radfahrenden in den Fokus der Forschung.
Die neue KFV-Studie zeigt: Randsteine stellen für Radfahrende ein beträchtliches Unfallrisiko dar – rund einer von zehn Fahrradunfällen ist eine Kollision mit einem Randstein. Was bislang als Randthema galt, soll nun mehr Achtsamkeit erhalten: die Vermeidung von Randsteinunfällen, die für Radfahrende im schlimmsten Fall tödlich enden können.
Konkreter Beweggrund für die vom KFV (Kuratorium für Verkehrssicherheit) durchgeführte Studie rund um die Randsteinproblematik für Radfahrende war die besorgniserregende Unfallsituation in der Stadt Salzburg. Mehrere schwere Fahrradunfälle an Randsteinkanten waren dort innerhalb weniger Monate verzeichnet worden.
So etwa jener tödliche Unfall einer Radfahrerin, die einer Baustelle ausweichen wollte und beim schrägen Wiederauffahren auf den Radweg an einer fünf Zentimeter hohen Kante zu Sturz kam. Sie erlitt dabei tödliche Kopfverletzungen.
In einem anderen Fall wollte ein Radfahrer einer Gruppe zu Fuß Gehender ausweichen, die auf dem Radweg im Aufstellbereich einer Kreuzung warteten. Auch hier war die Trennung zwischen Gehsteig und Radweg mittels eines Hochbordsteins von wenigen Zentimetern Höhe ausgeführt, auch hier führte schräges Auffahren zum Sturz. Der Radfahrer brach sich bei diesem Ausweichmanöver die Schulter.
Ein weiterer tödlicher Unfall einer Radfahrerin ereignete sich an einem hohen Randstein an der Abgrenzung Fahrbahn-Radweg. Traurige Tatsachen also, die das Thema Randsteinunfälle Radfahrender im Auftrag der Stadt Salzburg zu einem KFV-Forschungsthema machten.
Rund 36.000 verletzte Radfahrende pro Jahr – Tendenz steigend
Pro Jahr werden in Österreich gemäß offizieller amtlicher Unfallstatistik (UDM) im Straßenverkehr durchschnittlich rund 8.500 Radfahrende verletzt – mit steigender Tendenz. Die IDB Austria, eine KFV-Datenbank auf Basis von Unfallopferbefragungen in Krankenhäusern in ganz Österreich, weist allerdings rund 36.000 verletzte Radfahrende im Straßenverkehr pro Jahr aus und lässt somit wissen: Nur jeder 4. Radverkehrsunfall scheint auch in der offiziellen Statistik auf.
Die aktuelle KFV-Studie basiert auf den Unfalldaten der IDB Austria und auf Befragungsdaten aus einer KFV-Kooperationsstudie mit der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) zum Thema Arbeitswegunfälle mit dem Fahrrad und E-Bike. Darüber hinaus untersuchte das KFV-Forschungsteam mittels Literaturanalyse verfügbare Studien von Unfällen mit Randsteinen. Ergänzend wurden die Ergebnisse der Unfall- und Literaturanalyse mit renommierten Radverkehrsfachleuten diskutiert.
Im Fokus: Unfallgeschehen am Randstein
Die wesentlichsten Ergebnisse der KFV-Unfalldatenanalyse:
- Der Großteil der untersuchten Randsteinunfälle waren Alleinunfälle (88 %).
- An insgesamt 10 Prozent der Unfälle (Fahrrad: 10 %, E-Bike: 12 %) waren andere Verkehrsteilnehmende beteiligt – zwar ohne direkte Kollision, aber durch unfallkausales Ausweichen der Person auf dem Fahrrad.
- 1 Prozent der Randsteinunfälle waren Kollisionen mit anderen Verkehrsteilnehmenden – der Randstein war dabei nicht unfallkausal, sondern erst im Zuge des Sturzes relevant.
- Der Großteil der Randsteinunfälle von Fahrrädern und E-Bikes wurde auf Fahrbahnen im Mischverkehr verzeichnet, der Anteil der Fahrbahnen war bei verunfallten E-Bikes höher als bei Fahrrädern (82 % vs. 64 %).
- Radwege waren mit 14 Prozent (Fahrrad) bzw. 12 Prozent (E-Bike) deutlich seltener Ort von Randsteinunfällen.
Ältere Radfahrende besonders gefährdet
Im E-Bike-Unfallgeschehen sticht der hohe Anteil älterer Verunglückter besonders hervor: Knapp die Hälfte der untersuchten Randsteinunfälle betrafen E-Bike-Lenkende ab 65 Jahren (48 %). Bei allen E-Bike-Unfällen im Untersuchungszeitraum lag der Anteil älterer Menschen rund 10 Prozentpunkte darunter (39 %). Heißt im Klartext: Randsteinunfälle betreffen ältere E-Bike-Fahrende überproportional häufig. Dieses Phänomen zeigt sich auch bei Unfällen mit klassischen Fahrrädern, allerdings auf niedrigerem Niveau (18 % versus 13 %).
Verletzungen bei Randsteinunfällen betreffen meist die oberen Extremitäten von Verunfallten. Besonders oft werden Blessuren an Handgelenken, Schultern, Unterarmen, Schlüsselbeinen, Ellbogen und Fingern behandelt.
„Das Risiko von Randsteinen für Radfahrende muss bei der Gestaltung von Radwegen mehr Beachtung finden!“
Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter des KFV-Fachbereichs Verkehrssicherheit
Empfehlungen des KFV-Forschungsteams
Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter des KFV-Fachbereichs Verkehrssicherheit, betont: „Das Risiko von Randsteinen für Radfahrende muss bei der Gestaltung von Radwegen mehr Beachtung finden: Von der optischen Hervorhebung durch farbige Markierung des Randsteins über die Abschrägung rechtwinkeliger Kanten bis hin zu ausreichender Beleuchtung und verbesserter Radverkehrsführung bieten sich zahlreiche technische Maßnahmen an. Intensivierte Bewusstseinsbildung sollte besonders beim E-Bike-Verkauf und in Fahrtechnikkursen erfolgen. Grundrezepte für eine sichere tägliche Mobilität sind jedenfalls vorausschauende Fahrweise, angepasstes Tempo, Know-how in Sachen Radfahrtechnik, ausreichende Überhol- und Sicherheitsabstände, die Verwendung des Fahrradhelms und die Wahl breiterer Reifen für mehr Fahrstabilität.“
Präventionsmaßnahmen in der täglichen Praxis:
- Einhaltung der Überholabstände: Im Ortsgebiet ist gemäß StVO § 15 Abs. 4 ein Überholabstand von mindestens 1,5 m gegenüber dem Radverkehr einzuhalten. Diese Regelung ist allerdings Einschränkungen unterworfen, z.B. bei Fahrgeschwindigkeiten unter 30 km/h sowie beim Vorbeibewegen an Radfahrenden auf Radfahr- oder Mehrzweckstreifen. Aus Sicht der Verkehrssicherheit sollte dieser Abstand bei jeglichem Vorbeifahren an Radfahrenden eingehalten werden, damit diese nicht an den Rand gedrängt werden.
- Einhaltung eines Sicherheitsabstands: Radfahrende selbst können durch die Wahl ihrer Fahrlinie Unfälle mit Randsteinen verhindern. Mehr Abstand vom Randstein ist gefragt!
- Freiwillige Radfahrprüfung: Die potenzielle Gefahr, die von Randsteinen ausgeht, und geeignete Präventionsmaßnahmen (Einhalten eines Sicherheitsabstands, gerades Anfahren, wenn ein Randstein überwunden werden muss) sollten auch in der freiwilligen Radfahrprüfung thematisiert werden.
- Bewusstseinsbildung bei Fahrtechnik-Trainings: Auch in Fahrrad-Fahrtechnikkursen sollte die Randsteinproblematik (verstärkt) thematisiert werden.
- Angebot von E-Bike-Schulungen und Hinweis auf Kurse beim E-Bike-Kauf: In spezifischen E-Bike-Fahrsicherheitstrainings, die bereits beim Kauf eines E-Bikes angeboten werden sollten, muss das Risiko Randstein behandelt werden.
- Helmtragen: Die Schwere von Kopfverletzungen kann durch das Tragen eines Fahrradhelms deutlich verringert werden. Die Nutzung von Fahrradhelmen wird daher allen Radfahrenden und ganz besonders E-Bike-Fahrenden, die gemäß Unfallstatistik einem höheren Risiko von Schädelverletzungen ausgesetzt sind, dringend empfohlen.
- Breitere Reifen: Breitere Fahrradreifen „verzeihen“ beim Überfahren von Randsteinen und anderen Bodenunebenheiten wie Schienen, Schlaglöchern oder Schotter mehr als schmale Reifen. Im Sinne der eigenen Sicherheit sollten Radfahrende daher einer toleranteren Reifenbreite mehr Augenmerk schenken.
Die Studie steht hier zum Download bereit:
PDF Download