Lebensretter Fluchtweg?

946

Pro Jahr sterben im Schnitt 25 bis 30 Personen bei Bränden in den eigenen vier Wänden. Rauchwarnmelder, Feuerlöscher aber auch die richtigen Fluchtwege können im Fall eines Falles lebensrettend sein. Dass das Freihalten von Fluchtwegen in Wien nicht immer selbstverständlich ist, zeigt ein Lokalaugenschein des KFV. Durch Fahrräder verstellte Durchgänge oder festgebundene Brandschutztüren sind in Wien keine Seltenheit.

Wien, 12.09.2018. Insgesamt 3.847 Brände entfielen im Jahr 2016 auf den Zivilbereich. Das sind 52,5 Prozent aller Brandgeschehen in Österreich. 30 Menschen starben 2016 an den Folgen eines Brandes. „Mit dem Herbst steht uns die Hochsaison für Brände bevor“, erklärt Dr. Armin Kaltenegger, Leiter des Forschungsbereichs Eigentumsschutz im KFV. „Zeit um jetzt Vorsorgemaßnahmen zu ergreifen.“

In Wien keine Seltenheit: verstellte Fluchtwege. Foto: KFV

Bevölkerung für den Ernstfall schlecht vorbereitet! Für den Ernstfall sind viele Haushalte in Österreich nicht oder nur schlecht vorbereitet: zwar kennen laut einer Umfrage des KFV immerhin rund 83 Prozent der Befragten die Telefonnummer der Feuerwehr, zugleich bedeutet das aber auch, dass jeder 6. bei dieser Notrufnummer nicht sattelfest ist. Und: nur in etwa jedem zweiten Haushalt befinden sich gewartete Feuerlöscher. Wie Erhebungen des KFV seit Jahren zeigen, wird die Brandgefahr in den eigenen vier Wänden generell stark unterschätzt. Rund 86 Prozent der Befragten halten einen Brand in ihrem eigenen Haushalt für eher unwahrscheinlich. „Dementsprechend schlecht ist die Bevölkerung auf einen tatsächlichen Brandfall vorbereitet. Neben Löschmöglichkeiten ist der richtige Fluchtweg ein Lebensretter“, erklärt Kaltenegger.

Lokalaugenschein zeigt: Freihalten von Fluchtwegen ist nicht selbstverständlich. Im Falle eines Brandes ist es wichtig, die Wohnung so schnell wie möglich zu verlassen, schwierig wird das, wenn Gänge und Hausflure von Gegenständen versperrt sind oder sich Fluchttüren gar nicht öffnen lassen. Ein Lokalaugenschein des KFV in verschiedenen Mehrfamilienhäusern in Wien zeigt, dass das Freihalten von Fluchtwegen in Wien nicht immer selbstverständlich ist. „Wir haben durch Fahrräder verstellte Durchgänge oder festgebundene Brandschutztüren gefunden. Ein häufiger Fehler ist auch das Verstellen von Hausfluren mit Kinderwägen oder anderer brennbarer Gegenstände wie Möbeln oder Schuhen“, erläutert Kaltenegger.

Brandrauch, Gefahr auf leisen Sohlen! 80 bis 90 Prozent aller Brandtoten sterben vor oder überhaupt ohne direkte Feuereinwirkung an den Auswirkungen von Rauchgasen.

v.l.n.r.: Dr. Arthur Eisenbeiss (BV), Dr. Armin Kaltenegger (KFV)

Dies zeigt, wie gefährlich der Brandrauch tatsächlich ist und worin bei einem Brand die größten Gefahren l

iegen. Umso wichtiger ist es, für den Brandfall die Flucht vor den gefährlichen Rauchgasen zu ermöglichen. Vor allem im mehrgeschoßigen Wohnbau sind Stiegen- bzw. Treppenhäuser wichtige Fluchtwege und daher rauchfrei aber auch frei von allen Lagerungen zu halten!

Offenes Licht und Feuer, Wärmegeräte und defekte technische Geräte oder Anlagen zählen in privaten Wohnbauten zu den häufigsten Brandursachen. Gerade elektrische Defekte treten unvermutet auf, sorgen für Entstehungsbrände, die oft über längere Zeit unbemerkt bleiben, und stellen somit eine besonders hohe Gefahr dar. Egal wodurch es zum Brandausbruch kommt – nicht unmittelbar das Feuer, sondern der dabei entstehende Rauch stellt die wohl größte Gefahr für den Menschen dar, wie DI Dr. Arthur Eisenbeiss, Sprecher der österreichischen Brandverhütungsstellen, erklärt: „Je größer ein Gebäude ist und je mehr Menschen sich darin befinden, umso wichtiger ist es, ihnen im Brandfall die Flucht vor den gefährlichen Rauchgasen zu ermöglichen und sie nicht nur vor der Brandausbreitung, sondern auch vor Rauchverschleppungen von einer Wohnung in die andere, von einem Geschoß in das nächste oder etwa vom Keller in die darüber liegenden Wohnetagen zu schützen.“

Die Gefährlichkeit des Brandrauchs: Was macht den Brandrauch aber so gefährlich? Schon verhältnismäßig geringe Rauchkonzentrationen können zu einer Rauchgas- bzw. einer Kohlenmonoxid-Vergiftung führen und Bewusstseinsveränderungen, Bewusstlosigkeit und in weiterer Folge den Todeseintritt bewirken. Dazu kommt, dass bei jedem Gebäudebrand auch Kunststoffe mitbrennen, wodurch wiederum zahlreiche neue Verbindungen frei werden, deren Wirkungen noch nicht gänzlich erforscht sind.

Das Hauptproblem besteht aber meist im Kohlenmonoxid (CO), wie Eisenbeiss weiter erklärt: „Gelangt dieses gefährliche Atemgift über die Lunge in den Blutkreislauf, behindert es den Sauerstofftransport im Blut, was zum Tod durch Ersticken führen kann. Da es farb-, geruch- und geschmacklos und nicht reizend ist, wird es allerdings kaum wahrgenommen.“ Genau diese Eigenschaft mache das Kohlenmonoxid als Hauptbestandteil der Rauchgase besonders heimtückisch: „Gelangt es nämlich durch Deckenöffnungen, Kabel- und Rohrleitungen oder auch durch Türspalten in die Wohnung, wird die Bedrohung oftmals zu spät bemerkt.“

Sichtbehinderung, Hitze, Saustoffmangel, Toxizität und Panik. Noch dramatischer wird es, wenn die Rauchkonzentration steigt, d.h. wenn Menschen unmittelbar dem Brandrauch ausgesetzt sind. Neben dem Sauerstoffmangel und der Toxizität kommen nun auch Sichtbehinderung und Hitze zum Tragen. „Der schwarze, dicke Brandrauch ist in keiner Weise mit Disco- oder Theaternebel zu vergleichen“, so Eisenbeiss: „Der Brandrauch nimmt den betroffenen Personen jegliche Sicht und obendrein auch den Atem. Beide Faktoren gemeinsam lösen sehr häufig Panik und in weiterer Folge Fehlhandlungen aus, wodurch die Situation erst recht lebensgefährlich wird.“ So passiere es immer wieder, dass Menschen ihr Leben verlieren, weil sie in Panik geraten und über verrauchte Stiegenhäuser zu flüchten versuchen oder sogar aus Fenstern springen.

Bei Brandrauch ist keine Zeit zu verlieren! Daher gelte es, bei Auftreten von Brandrauch Ruhe zu bewahren und sich möglichst schnell in Sicherheit zu bringen. „Befindet man sich selbst in einem verqualmten Raum, ist jede Sekunde kostbar. Zugleich ist es höchst gefährlich, ohne Atemschutz in verrauchte Räume vorzudringen“, betont der BVS-Direktor.

Schutz- vor Brand- und Rauchausbreitung: Um die Gefährdung durch Brandrauch zu vermeiden, sollte jeder Haushalt mit Rauchwarnmeldern ausgestattet sein. Zusätzlich müssen in mehrgeschoßigen Wohnbauten bauliche Maßnahmen ergriffen werden, mit denen neben der Feuer- auch die Brandweiterleitung unterbunden wird – etwa durch den Einbau von Brandschutztüren oder mithilfe von „Brandschutzklappen“, „Brandschutzmanschetten“ oder „Brandschutzbeschichtungen“ im Durchtrittsbereich von Rohrschächten, Lüftungs- und Kabelschächten.

Treppenhäuser sind wichtige Fluchtwege! Gleichzeitig gilt es, die Flucht aus dem Gefahrenbereich zu ermöglichen. In mehrgeschoßigen Wohnbauten sind hierfür die Stiegenhäuser von besonderer Bedeutung, die einerseits als Flucht- und andererseits als Rettungswege dienen. Auch wenn sie mit Rauchabzugsöffnungen z.B. in Form von Fenstern oder Lichtkuppeln versehen sind, müssen sie so weit wie möglich von allen Gegenständen freigehalten werden, die im Brandfall zur Verrauchung der Stiegenhäuser beitragen können. „Daher ist jegliche Lagerung im Treppenhaus zu vermeiden!“, erklärt Eisenbeiss. Zugleich steht für ihn fest, dass in mehrgeschoßigen Wohnbauten – trotz baulicher Maßnahmen zur Vermeidung der Rauchweiterleitung – auch Nebenräume wie Keller oder Müllräume verschlossen und nur für die Bewohner betretbar sein sollten. „Wie die Praxis zeigt, werden sowohl durch den freien Zutritt zu diesen Räumen als auch durch darin befindliche Lagerungen Brandstiftungen erleichtert“, so BVS-Direktor Arthur Eisenbeiss: „Selbst kleine Brände können zur großen Gefahr werden – es entsteht Brandrauch, der insbesondere in Mehrparteien-Wohnhäusern das Leben vieler Menschen bedroht!“

PDF Download