Der Klimawandel und die veränderten Lebensräume hinterlassen auch bei Wildunfällen ihre Spuren. In den letzten 16 Jahren ist die Zahl der im österreichischen Straßenverkehr getöteten Rehe um 7 Prozent gestiegen und bei Rotwild gibt es ein Plus von 3 Prozent. Starke Rückgänge gibt es hingegen bei Fasanen (-63%) und Hasen (-55%). Ein Crash mit einem wuchtigen Reh birgt auch ein höheres Verletzungsrisiko, warnt das KFV. Pro Jahr ereignen sich in Österreich rund 73.000 Wildunfälle. Die Sicherheits- und Unfallpräventionsinstitution KFV und der NÖ Jagdverband erklären, wie das Unfallrisiko gesenkt werden kann.
Wien, 15. Oktober 2024. In Österreich ereignen sich im Schnitt rund 73.000 Wildunfälle pro Jahr (Durchschnitt 2019/20 bis 2023/24). Das sind acht Wildunfälle pro Stunde. In den meisten Fällen kollidieren die Kraftfahrzeuge mit einem Reh (55%) oder mit einem Hasen (26%). Mag. Christian Schimanofsky, Direktor des KFV, verweist in diesem Zusammenhang auf ein interessantes Phänomen: „In den vergangenen 16 Jahren ist die Anzahl der bei Verkehrsunfällen getöteten Rehe um 7 Prozent gestiegen und bei Rotwild gibt es ein Plus von 3 Prozent. Hasen wurden hingegen um 55 Prozent weniger getötet und bei Fasanen gibt es einen Rückgang von 63 Prozent. Eine Kollision mit einem wuchtigen Reh oder Hirsch bedeutet natürlich auch ein größeres Gefahrenpotential für die Menschen am Steuer.“
Bezirk Neusiedl/See liegt bei Unfällen vorne, aber nicht bei Personenschäden
Das höhere Gefahrenpotenzial von größeren Wildtieren macht sich auch in den Daten auf Bezirksebene bemerkbar, wie der KFV-Direktor erläutert: „Der Bezirk Neusiedl am See, wo deutlich mehr Hasen als Rehe überfahren werden, liegt zwar in der Fallwildstatistik mit durchschnittlich 3.030 Unfällen pro Jahr gleichauf mit Mistelbach an erster Stelle. Die meisten Wildunfälle mit Personenschäden passieren allerdings im Bezirk Amstetten, wo sich 4 Prozent aller Wildunfälle mit verletzten oder getöteten Menschen ereignen.“ In den letzten fünf Jahren wurden in Österreich insgesamt 1.586 Personen bei Wildunfällen verletzt und sechs Menschen getötet. Das sind durchschnittlich 317 Verletzte pro Jahr.
„Bitte seien Sie im Herbst wegen des früheren Dämmerungseinbruchs besonders achtsam, denn rund 47 Prozent aller Wildunfälle mit Personenschäden ereignen sich bei Dunkelheit und 10 Prozent bei Dämmerung“
Richtig reagieren beim Auftauchen von Wildtieren
„Bitte seien Sie im Herbst wegen des früheren Dämmerungseinbruchs besonders achtsam, denn rund 47 Prozent aller Wildunfälle mit Personenschäden ereignen sich bei Dunkelheit und 10 Prozent bei Dämmerung“, appelliert Mag. Schimanofsky. „Und denken Sie immer daran, dass ein Ausweichmanöver in der Regel mehr Risiken birgt als ein möglicher Zusammenstoß“, so der Verkehrssicherheitsexperte weiter. Wenn ein Wildtier vor dem Fahrzeug auftaucht, laute daher die klare Empfehlung des KFV: abblenden, hupen, stark bremsen und das Lenkrad gut festhalten. Sollte die Kollision dennoch unvermeidbar sein: keinesfalls unkontrolliert ausweichen. Ganz wichtig ist auch, sich beim Fahren immer auf das Verkehrsgeschehen zu konzentrieren und auf eine angepasste Geschwindigkeit zu achten. Denn die häufigsten Unfallursachen bei Wildunfällen mit Personenschäden sind Unachtsamkeit und Ablenkung (54%) sowie eine nichtangepasste Geschwindigkeit (39%).
Ein Bundesland ist besonders stark betroffen
Mehr als 39 Prozent aller auf der Straße getöteten Wildtiere starben in den letzten fünf Jahren in Niederösterreich und 35 Prozent aller Wildunfälle mit Personenschäden ereigneten sich ebenfalls in diesem Bundesland. Zum Vergleich: Niederösterreich ist 19.180 km² groß, was zirka 23 Prozent der Gesamtfläche Österreichs entspricht. Warum sich im flächenmäßig größten Bundesland derart überproportional viele Unfälle ereignen, erklärt Niederösterreichs Landesjägermeister DI Josef Pröll: „Beim Wildunfallrisiko sind zwei Faktoren entscheidend: Wie oft Wild für die Aufnahme von Futter oder den Wechsel in einen Einstand Straßen queren muss sowie die Zahl der Verkehrsteilnehmenden. Niederösterreich weist ein enorm dichtes Verkehrsnetz mit vielen Pendelnden in den Morgen- und Abendstunden auf. Gleichzeitig muss das Wild durch die Zerschneidung der Lebensräume öfter Straßen queren. Die Zahlen belegen das: Wildunfälle sind kein saisonales Phänomen mehr, sondern können ganzjährig auftreten.“
„Wildunfälle sind kein saisonales Phänomen mehr, sondern können ganzjährig auftreten“
In Niederösterreich arbeiten das Bundesland NÖ, der NÖ Jagdverband und die Land&Forst Betriebe Österreich bereits intensiv zusammen und bringen Wildwarngeräte an den weißen Pflöcken entlang von Straßen an, die verhindern, dass Wild beim Herannahen von Fahrzeugen Straßen quert. Zudem werden jagdwirtschaftliche und wildökologische Maßnahmen gesetzt. „Aber es braucht vor allem die Mithilfe der Verkehrsteilnehmenden. Die blauen Wildwarnreflektoren an den weißen Pflöcken, das Verkehrszeichen Wildwechsel und bewachsene Straßenränder zeigen ein erhöhtes Risiko für querendes Wild an. Hier sollte das Tempo angepasst und die Straßenränder im Blick behalten werden. Das trägt zur Reduktion des Wildunfallrisikos bei“, so Niederösterreichs Landesjägermeister dazu.
Klimawandel und Landbebauung hinterlassen ihre Spuren
Für den Wandel bei den Tierarten auf das Unfallgeschehen hat DI Pröll folgende Erklärungen: „Die Zunahme bei Rehwild ist dem Klimawandel und auch der zunehmenden Freizeitnutzung geschuldet. Wir beobachten, dass Rehwild auf der Suche nach wasserhaltiger Nahrung immer weitere Strecken zurücklegt. Dabei quert es zwangsläufig auch Straßen häufiger. Einer der Hauptauslöser für Wildunfälle dürfte aber auch der Druck durch Freizeitnutzer sein, die Wild aufscheuchen. Rehe flüchten dann oftmals über Straßen in die nächsten Einstände und Deckungen, während Niederwild auf seine Deckung vertraut und nur die Flucht ergreift, wenn sich Menschen weiter direkt annähern.“
Richtig reagieren nach einem Unfall
Ein großes Anliegen ist DI Pröll auch das richtige Verhalten der Verkehrsteilnehmenden bei einem Wildunfall: „Die Fahrzeuglenkenden müssen das Fahrzeug abstellen und die Unfallstelle absichern. Dann folgen die generellen Abläufe nach einem Verkehrsunfall, also die Versorgung von verletzten Personen und die Verständigung der Polizei und im Bedarfsfall auch der Rettung. Jeder Unfall – auch wenn das Tier flüchtet – muss der Polizei gemeldet werden. Sie nimmt den Unfall auf und informiert die Jägerschaft, die die Bergung übernimmt. Hier arbeiten Exekutive und Jägerschaft beim Projekt ‚Gemeinsam. Sicher‘ zusammen, um eine raschere Versorgung verletzter Tiere zu ermöglichen und Tierleid zu mindern. Das Tier darf keinesfalls mitgenommen werden.
Grafik mit den Wildunfallzahlen .pdf