Die Folgen des Klimawandels sind in Österreich schon längst zu spüren, doch ein tiefgreifendes Umdenken hat bisher noch nicht stattgefunden. Die Zeit drängt, alarmieren Experten der Versicherungswirtschaft sowie der Klima- und Präventionsforschung bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. Vorsorgemaßnahmen im kleinen und großen Stil zu treffen, ist vorrangigstes Gebot.
Der Klimawandel ist auch in unseren Breiten deutlich spürbar. Galten die Auswirkungen noch vor einigen Jahren als vage Zukunftsszenarien, ist eine Zunahme der Intensität von Extremereignissen heute evident. „Wir erwarten, in Kombination mit einer höheren Siedlungsdichte in Österreich, eine weitere signifikante Zunahme von Schadensereignissen“, so KR Mag. Klaus Scheitegel, Vizepräsident des österreichischen Versicherungsverbandes VVO. „Diese waren schon in den letzten Jahren deutlich bemerkbar, man denke an die Dürren im letzten Jahr oder intensive Regenfälle, die von Hangrutschungen bis Überflutungen alles zu bieten hatten.“
Während Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse zunehmen, gestaltet sich die Vorbereitung auf diese in Österreich eher schleppend. „Die Risiken werden noch immer stark unterschätzt, gefährdet sind nicht nur einzelne Regionen weit weg vom eigenen Wohnort, sondern alle Bundesländer gleichermaßen.“ „Auch die Schadenhöhen sind in den letzten Jahren auf hohem Niveau, jährlich wird fast 1 Mrd. Euro an Schäden verzeichnet“, so Mag. Christian Eltner, Generalsekretär des österreichischen Versicherungsverbandes VVO.
Prävention: Große Wirkung durch treffsichere Maßnahmen
Dass ein tiefgreifendes Umdenken in Österreich noch nicht stattgefunden hat, zeigen aktuelle Daten des „KFV-Naturgefahrenmonitors“. Seit dem Jahr 2013 werden durch das KFV Wahrnehmungen, Erwartungshaltungen und Präventionsbewusstsein der österreichischen Bevölkerung zu Naturgefahren in regelmäßigen Abständen abgefragt. „Die im internationalen Vergleich gering ausgeprägte Bereitschaft zur Eigenvorsorge der Bevölkerung in Österreich ist nach wie vor deutlich erkennbar. Für Österreich gibt es hinsichtlich Vorsorge und Vorbereitung auf allen Ebenen deutliche Verbesserungspotentiale“, erklärt KFV-Direktor Mag. Christian Schimanofsky. Die Wahrnehmung des Risikos durch Naturgefahren sowie das Gefahrenbewusstsein ist in Österreich lokal sehr unterschiedlich und im Allgemeinen eher gering ausgeprägt. Auffallend viele Österreicherinnen und Österreicher glauben (62 Prozent), dass es ausschließlich die Aufgabe der Behörden sei, sie vor Naturgefahren zu schützen. Jede zweite befragte Person gibt an, keine Informationen darüber zu haben, wie man sich auf individueller Ebene vor Naturgefahren schützen kann. Nur 50 Prozent der befragten Personen kennen die Bedeutung der Zivilschutzalarme oder wissen, was bei einer Alarmierung konkret zu tun ist. In der Umfrage angegebene Schäden betreffen Schäden an den Freiflächen (44 Prozent) bzw. direkt am Haus oder der Wohnung (39 Prozent). „Unsere Studie zeigt weiters, dass Eigeninitiative und Prävention sehr wirksame Mittel sind. Fast alle Personen, die bei einer Unwetterwarnung aktiv geworden sind, konnten auch tatsächlich Schäden verhindern“, so Schimanofsky.
„Für Österreich gibt es hinsichtlich Vorsorge und Vorbereitung auf allen Ebenen deutliche Verbesserungspotentiale“
Änderungen bei extremen Wetterereignissen
Im Zuge des menschengemachten Klimawandels zeigen sich in Österreich bereits Änderungen bei den extremen Wetterereignissen. „Zum Beispiel nahm in den letzten Jahrzehnten die Anzahl der Tage mit sehr großen Regenmengen im Sommer um rund 30 Prozent zu. Tage mit wenig Regen wurden hingegen seltener“, sagt Klimaforscher Dr. Marc Olefs von der GeoSphere Austria. „Hier gibt es einen direkten Zusammenhang mit der Klimaerwärmung. Denn pro Grad Erwärmung kann die Atmosphäre sieben Prozent mehr Wasserdampf aufnehmen, bei Gewittern sogar bis zu 15 Prozent mehr.“ Gewitter enthalten also immer mehr Wasser. Dies führt zu einer labileren Luftschichtung und stellt somit mehr Energie für kleinräumige Unwetter mit Schadenspotenzial bereit (Gewitter mit Starkregen, Hagel, Sturmböen). „Bei Einhaltung der Pariser Klimaziele könnten sich diese Entwicklungen auf dem aktuellen Niveau einpendeln. Bei einem weiterhin steigenden Ausstoß an Treibhausgasen sind weitreichende Änderungen bei den extremen Wetterereignissen zu erwarten“, so Olefs.
Um den Herausforderungen des Klimawandels angemessen begegnen zu können, ist ein Umdenken aller Akteure schnellstens gefordert – auch der Entscheidungsträger: „Wir benötigen für eine österreichweite Versicherbarkeit verschiedener Naturgefahren gesetzliche Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, den Versicherungsschutz flächendeckend zur Verfügung stellen zu können. Leider konnten wir hier seitens der Politik noch keine Unterstützung für Naturkatastrophen-Lösungen erreichen“, schließt Scheitegel.
IN KÜRZE:
- In Österreich verzeichnet man jährlich rund 1 Mrd. Euro an Schäden.
- Die im internationalen Vergleich gering ausgeprägte Bereitschaft zur Eigenvorsorge in der österreichischen Bevölkerung stellt große wie kleine Gemeinden vor immense Herausforderungen.
- Aktuelle KFV-Studie (KFV: n=1.211; Februar 2023) zeigt weiterhin deutlichen Nachholbedarf beim Thema Prävention von Naturgefahren. Auch der Informations- und Aufklärungsbedarf der Bevölkerung ist sehr hoch.
- Forderungen der Versicherungswirtschaft nach flächendeckenden Naturkatastrophenlösungen wurden bislang von der Politik nicht unterstützt, sollten aber zeitnah umgesetzt werden.