Vorrang für die Sicherheit: Rekordwert von 73 Verkehrstoten durch Vorrangmissachtung

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Vorrangverletzungen sind in Österreich populär wie nie zuvor – die Unfallstatistik zeigt einen traurigen Rekord: 73 Verkehrstote im Jahr 2022 wegen missachteter Vorrangregeln auf Österreichs Straßen. Einspurige sind besonders gefährdet: Motorradfahrende sind bei Kollisionen mit Pkw chancenlos – und bleiben meist völlig unschuldig auf der Strecke. Ziel der KFV-Expert*innen: mehr Transparenz ins Gesetz, mehr Wissen und Bewusstsein in die Bevölkerung.

Vorrangverletzungen – zweithäufigste Hauptunfallursache von Verkehrsunfällen mit Personenschaden auf Österreichs Straßen. Im Jahr 2022 kamen österreichweit 73 Menschen wegen Vorrangmissachtungen zu Tode – ein trauriger Rekord. Eine KFV-Umfrage zeigt: Die öffentliche Wahrnehmung dieser Problematik lässt jedoch zu wünschen übrig. Die Befragten schätzten Vorrangverletzungen zu Unrecht weit weniger prominent auf Platz 12 der Rangliste fataler mobiler Fehlverhaltensweisen ein. De facto sind in Österreich aber jeder vierte Unfall und jede fünfte im Straßenverkehr getötete Person auf Vorrangmissachtungen zurückzuführen.

Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter der KFV-Verkehrssicherheitsforschung, betont: „73 Getötete aufgrund von Vorrangverletzungen sind ein alarmierendes Allzeithoch – deutlich höher als der Zehnjahresschnitt von 55 Getöteten pro Jahr. Insgesamt sind pro Jahr außerdem mehr als 10.000 Verunglückte und fast 1.500 Schwerverletzte zu beklagen – die brisante Bilanz folgenschwerer Vorrangignoranz.“

Seit Einführung des elektronischen Unfalldatenmanagements (UDM) der Exekutive im Jahr 2012 wurde noch nie eine derart hohe Anzahl fataler Vorrangverletzungen verzeichnet. Aus Sicht des KFV-Experten Robatsch bedeutet das: „Alarmstufe Rot: Wir müssen in puncto Vorrang zeitnah wirkungsvolle Maßnahmen setzen, um Menschenleben zu retten und Verletzte zu vermeiden, die ihr Leben lang an den Folgen großteils unverschuldeter Kollisionen leiden. Ganz oben auf unserer To-do-Liste stehen: unkompliziertere gesetzliche Regelungen, verstärkte Wissensvermittlung und intensivierte Bewusstseinsbildung. Safety first: Die Sicherheit muss immer Vorrang haben.“

Vorrangmissachtung 2022: 11 tödlich verunglückte Fußgänger*innen
Die vorläufigen Zahlen für 2022 zeigen: Mindestens 27 Pkw-Insass*innen, 11 Fußgänger*innen, 9 E-Bike-, 9 Motorrad-, 6 Moped- und 3 Fahrrad-Nutzende verloren ihr Leben, weil der Vorrang missachtet wurde. Hinzu kommen weitere aufgrund von Vorrangverletzungen tödlich verunglückte Verkehrsteilnehmende, wie etwa E-Scooter-, Microcar- und Leichtmotorrad-Nutzende.

Die Statistik zeigt außerdem: Der Anteil der aufgrund von Vorrangmissachtungen getöteten Fußgänger*innen war 2022 ungewöhnlich hoch. Im längerfristigen Vergleich (Zeitraum 2017 bis 2021) rangieren hingegen anteilsmäßig nach den durch Vorrangmissachtung getöteten Pkw-Insass*innen (29 %) die tödlich verunglückten Motorrad-Nutzenden (27 %) an zweiter Stelle – gefolgt von Fahrrad-Nutzenden (19 %), Fußgänger*innen (16 %) und Moped-Nutzenden (4 %).   

Mangelnde Sichtbarkeit, fehlende Knautschzone: hohes Risiko für Einspurige
Die Detaildaten der Vorrangverletzungsunfälle lassen außerdem wissen: Die überwiegende Mehrheit der Verletzten (78 %) und Getöteten (60 %) kam unschuldig unter die Räder, die Hauptunfallverursachenden sind meist die Stärkeren auf der Straße. Einspurige Fahrzeugnutzende wie Moped-, Motorrad- oder Fahrradlenkende sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, weil sie von Personen am Steuer zweispuriger Fahrzeuge oft schlicht und einfach übersehen werden.

Dipl.-Ing. Robatsch erklärt: „Die Situation für Einspurige ist hochbrisant, sie kommen fast immer völlig unschuldig zu Tode: Motorradfahrende waren im 5-Jahresdurchschnitt nur bei rund 1 % der Vorrangverletzungsunfälle die Hauptunfallverursachenden, ihr Anteil an den Getöteten liegt aber bei ganzen 27 %. Hauptproblem der Einspurigen ist ihre mangelhafte Sichtbarkeit, das Risiko der schmalen Silhouette. Ihre fehlende Knautschzone ist im Fall des Falles ein weiterer wesentlicher Faktor für fatale Folgen. Mehr Achtsamkeit ist dringend angesagt: Schärfen wir unsere Blicke für Einspurige!“

KFV-Ziel 2023: Vorrang für die Sicherheit!
Um das tödliche Risiko von Vorrangmissachtungen in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit zu rücken, plant das KFV für 2023 eine repräsentative Befragung und intensiven Gedankenaustausch mit Verkehrsplaner*innen, Sachverständigen, Richter*innen, der Exekutive und weiteren Fachleuten. In Fokusgruppen sollen konkrete Verbesserungsvorschläge erarbeitet und anschließend der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Zu den zentralen KFV-Forderungen zählen unkompliziertere gesetzliche Regelungen, damit auch zu Fuß Gehende, Radfahrende und andere Personengruppen, die ohne Führerschein am Verkehrsgeschehen teilnehmen, die Vorrangregeln leichter verstehen.

Darüber hinaus braucht es nach Ansicht der KFV-Expert*innen vermehrte Wissensvermittlung und Bewusstseinsbildung, damit diese vereinfachten Regeln dann auch tagtäglich gelebt werden.