So niederschwellig der Spaß ins Rodelvergnügen ist, so gefährlich kann es auf den zwei Kufen werden. Dabei kann eine einzige Maßnahme das Unfallrisiko deutlich verringern und den Spaß direkt proportional dazu erhöhen: die Rodelbremse.
Hinsetzen und losfahren. So schnell geht es beim Rodeln und schon die ersten Meter machen Spaß. Erfahrung braucht es wenig, um mit dem Gerät ins Tal zu fahren. Sich auf eine Rodel setzen, an der Leine ziehen und mit den Füßen ein bisschen bremsen kann doch jeder, oder? Also fackeln wir nicht lange und testen die fünf Kilometer lange Rodelbahn am Stuhleck im niederösterreich-steirischen Grenzgebiet. Bei der Friedrichhütte auf 1340 Meter geht es los. Der Anblick am Start lässt die Freude steigen: Es geht nicht zu flach los, da nimmt man sicher schnell Fahrt und Spaß zu gleichen Teilen auf. Zweimal ordentlich abstoßen und es geht dahin. Schnell und schneller und noch schneller, die erste Rechtskurve kommt näher, der Speed ist beträchtlich. Was, wenn sich die Kurve nicht ausgeht? Das Bremsen mit den Beinen verzögert auch nur mäßig, der Spaß hat sich verflüchtigt – und jetzt?
Die selbst gemachte Erfahrung ist kein Einzelfall. Immer wieder passieren beim Rodeln Unfälle mit teil schweren Verletzungen. „Schon bei einer Aufprallgeschwindigkeit von 10 km/h kann für Kinder, wenn sie keinen Helm tragen, eine Kollision mit einem Baum tödlich enden“, erklärt Dr. Johanna Trauner-Karner, Leiterin der Abteilung für Sport- und Freizeitsicherheit am Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV). Und der Selbsttest zeigt: 10 km/h erreicht man auch auf relativ flachen Rodelbahnen ziemlich schnell.
Die gute Nachricht: Abhilfe lässt sich relativ einfach schaffen und zwar mit einer Rodelbremse. Mittlerweile gibt es verschiedene Anbieter und Systeme, die einander im Kern sehr ähnlich sind. Mit dem Hochziehen eines Hebels – entweder an der Seite der Rodel oder in der Mitte, direkt vor Beginn der Sitzfläche – drückt man entweder zwei Krallen oder einfach zwei Metallholme von etwa daumendickem Durchmesser in den Schnee, die für Verzögerung sorgen.
Im Bereich der Familienlifte am Stuhleck haben die KFV Forscher und Testpiloten Michael Nader und Alexander Pommer ein Testgelände aufgebaut. Nach einer kurzen Beschleunigung auf gerader Strecke markiert eine pinke Linie im Schnee den Bremsbeginn, auf der Seite sind Metermarkierungen aufgesprüht. Direkt am Bremsstart wird per Laserpistole die Geschwindigkeit gemessen, um die Ergebnisse auch wirklich miteinander vergleichen zu können. Gebremst wird einmal mit Winterschuhen, einmal mit Spikes, die an den Schuhen befestigt werden können, einmal durch Aufkanten der Rodel und eben mit der Rodelhandbremse.
Die Rangliste ist wenig überraschend, denn dass das Bremsen nur mit Winterschuhen alleine am schlechtesten funktioniert, gefolgt von Spikes, Aufkanten und Handbremse war zu erwarten. Beeindruckend sind die Unterschiede. Bei einer Vollbremsung aus 25 km/h steht die Rodel beim herkömmlichen Fußbremsen erst nach 14,7 Metern. Bremst man mit einer Handbremse, verkürzt sich der Weg um mehr als die Hälfte auf sieben Meter! Oder noch plastischer erklärt: Käme man mit der Handbremse gerade noch direkt vor dem Hindernis zum Stillstand, würde man beim Bremsen mit Winterschuhen mit einer Geschwindigkeit von 18 km/h aufprallen. „Die Handbremse ist also ein ganz klares Sicherheitsplus“, sagt Michael Nader und klopft sich den Schnee von der Jacke. „Gerade für Einsteiger, die wenig Erfahrung beim Beherrschen der Rodel mitbringen, reduziert sie das Unfallrisiko und die Folgen drastisch.“
Und Rodelunfälle sind keine Seltenheit. Jährlich verletzen sich laut KFV-Statistik zwischen Arlberg und Hoher Wandwiese etwa 2.200 Personen beim Rodeln und Schlittenfahren so schwer, dass sie im Spital behandelt werden müssen. Zwei Unfälle pro Jahr enden laut Kuratorium für Alpine Sicherheit sogar tödlich. „Die Geschwindigkeit wird oft unterschätzt“, sagt Johanna Trauner. GPS-Messungen des KFV zeigen Spitzengeschwindigkeiten von mehr als 60 km/h.
Ganz so schnell sind wir jetzt auf der Stuhleckbahn nicht, als Kurve und Bäume unangenehm schnell näherkommen. Mit einem beherzten Griff zur Bremse löst sich die brenzlige Situation aber schnell in Luft auf. Die Verzögerung auf der griffigen Strecke ist tatsächlich beeindruckend, die Handhabung kinderleicht. „Ein super System“, findet auch Hans Hirschegger, der Tourismusobmann von Spital am Semmering. „Rodeln wird immer beliebter. Viele Gäste fahren nicht mehr ausschließlich Ski, sondern gehen nachmittags gerne auch einmal rodeln.“ 40 Schlitten stehen im Verleih an der Mittelstation der Stuhleck-Bahnen in Spital am Semmering bereit. 10 davon jetzt mit der neuen Handbremse. Neben dem Stuhleck hat das KFV drei weitere Skigebiete mit Rodelbremsen zur Verfügung gestellt: der Mariazeller Bürgeralpe, der Rodelbahn in Bramberg am Großvenediger, wo sich die mit 14 Kilometern längste beleuchtete Rodelstrecke der Welt befindet, sowie dem Skigebiet Brandnertal in Vorarlberg. „Dass man die Bremse nachrüsten kann ist toll, so muss man nicht die ganze Flotte austauschen“, sagt Hirschegger.
Am Ende des Testtages muss der altbekannte Spruch von Renn- und Geschwindigkeitsliebhabern umgeschrieben werden, denn: Wer bremst, gewinnt.